Über 200 Theologieprofessoren für Reformen

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Mit einem Memorandum fordern katholische Theologinnen und Theologen weitgehende Kirchenreformen - Abschaffung des Pflichtzölibats, Zulassung von Frauen zu kirchlichen Ämtern, Anerkennung von homosexuellen Lebensgemeinschaften und wiederverheiratet Geschiedenen. Der begonnene Dialog findet zur Zeit hauptsächlich im Internet statt.

Die Empörung war groß, als vor wenigen Tagen, am 4. Februar 2011, das Memorandum "Kirche 2011. Ein notwendiger Aufbruch“ im Internet und in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht wurde. Allerdings nur in konservativen katholischen Kreisen und auf den einschlägig bekannten Homepages. Das Memorandum sei eine Rebellion im Altersheim, hieß es da. Von einem "Theologenaufständchen“ und einer "antirömischen Erklärung“ ist die Rede. Eine Internetseite führt sogar konsequent eine Liste darüber, welche Theologieprofessoren bereits unterschrieben haben inklusive deren Post- und E-Mail-Adresse. Nicht ohne den für den Theologen zuständigen Ortsbischof mit E-Mail-Adresse anzuführen, für den Fall, dass man sich gleich direkt beim Vorgesetzen über den ein oder anderen Hochschullehrer beschweren mag - ein kleines Service für den wütenden Katholiken.

Wirklich abschrecken ließen sich davon aber nur wenige Theologieprofessoren. Mittlerweile haben über 200 das Memorandum unterzeichnet und so ihren Willen für eine Reform der römisch-katholischen Kirche zum Ausdruck gebracht.

Höchste Zeit für ein Memorandum

Die Forderungen im Memorandum "Kirche 2011“ sind alles andere als neu: An der Bestellung wichtiger kirchlicher Amtsträger wie Pfarrer und Bischof soll auch das Kirchenvolk beteiligt werden, Stichwort: synodale Strukturen. Die Kirche brauche verheiratete Priester und "Frauen im kirchlichen Amt“. Gleichgeschlechtliche Paare sowie wiederverheiratet Geschiedene sollten nicht vom kirchlichen Leben ausgeschlossen werden. Die Kirche solle Voraussetzungen zur Versöhnung schaffen, denn "die biblische Freiheitsbotschaft“ sei teilweise durch eine "rigorose Moral ohne Barmherzigkeit“ verdrängt worden. Und der Gottesdienst solle sich von der "kulturellen Vielfalt“ bereichern lassen.

Neu ist allerdings, dass sich explizit Theologieprofessorinnen und Theologieprofessoren zu Wort melden und wie schnell dieses Manifest im Internet verbreitet wurde.

Anlass für das Memorandum sei die durch Missbrauchsfälle in Berlin vor einem Jahr ausgelöste Kirchenkrise in Deutschland. "Nach der Bekanntgabe von Kirchenaustrittszahlen sind durch die Ereignisse in Tunesien und Ägypten die Fragen zur kirchlichen Entwicklung wieder aus den Schlagzeilen gekommen, es schien als ob wieder Ruhe eingekehrt ist“, erklärt Rudolf Höfer, Professor für Kirchengeschichte und kirchliche Zeitgeschichte an der Universität Graz. "Die Ereignisse, die im vergangenen Jahr von den Medien breit diskutiert wurden, können nicht rasch in der Schublade verschwinden. Wenn das Memorandum "Kirche 2011“ als Titel trägt, war es ohnehin höchste Zeit, dass es an die Öffentlichkeit kommt.“

Dabei verstehen Theologen wie Rudolf Höfer oder Wolfgang Weier (Universität Graz) das Memorandum nicht als Streitschrift, sondern als Diskussionsbeitrag, als Gesprächsgrundlage. Und so ist der Text, verfasst von einem achtköpfigen Redaktionsteam deutscher Theologen, auch formuliert. In dieser Schrift wird nicht sprichwörtlich auf den Tisch gehauen, sondern auf eine behutsame Weise mit sorgfältig gewählten Worten Reformbedarf aufgezeigt und Reformwünsche artikuliert.

In einer ersten Stellungnahme würdigt der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz dieses Schreiben auch als einen Beitrag im "strukturierten Dialog“ zwischen Bischöfen und Theologieprofessoren. Auch wenn die Forderungen nicht neu und daher nur ein erster Schritt in einem langen Prozess sein. Jedoch: "Im Dialog dürfen akademische Weitsicht und intellektueller Scharfsinn, die eine besondere Chance der akademischen Theologie sind, nicht fehlen“, so Hans Langendörfer, der Sprecher der deutschen Bischofskonferenz.

Dass der Dialog zwischen Theologie und Kirche heute nicht mehr über einen Thesenanschlag an einer Kirchentür, sondern übers Internet geführt wird, zeigt sich daran, dass das Memorandum auf einer Internetseite veröffentlicht wurde und seitdem in Social Networks, Foren und auf Blogs kontroversiell diskutiert wird.

Für Medienbeobachter ebenfalls interessant ist die Rolle der Süddeutschen Zeitung. Ende Jänner berichtete die SZ bereits über 1970 entstandenes Memorandum: Damals hat der Theologe Joseph Ratzinger gemeinsam mit acht anderen namhaften Theologen eine Überprüfung des Pflichtzölibats angeregt. Wenige Tage später publizierte die renommierte deutsche Tageszeitung aus München das Memorandum aus 2011. Zufall? Für ultrakonservative Katholiken kein Zufall, ist die Süddeutsche in ihren Augen doch auch schuld daran, dass der ehemalige Bischof von Augsburg, Walter Mixa, 2010 seines Amtes enthoben wurde.

Resolutionen "bringen nichts“

Ob und inwiefern das Memorandum Gehör bei Bischöfen und Papst finden wird, kann noch nicht gesagt werden. Die Unterzeichner zeigen sich optimistisch, dass der "begonnene kirchliche Dialogprozess“ zu Befreiung und Aufbruch führen wird. Für Paul Michael Zulehner hingegen sei die Zeit Forderungskataloge und Resolutionen vorbei. Sie "bringen nichts“, sagt der emeritierte Pastoraltheologe gegenüber kathpress. "Ob so ein Memorandum zu Änderungen führt, lässt sich am Beginn nicht prophezeien, das weiß man erst nachher, jedenfalls kann es etwas bewirken. Auch wenn die Forderung nach einem Konzil nicht enthalten ist, könnte aus so einer Diskussion vielleicht auch dieser Wunsch hervorgehen. Immer wieder hört man, dass grundlegende Änderungen nur durch ein Konzil entschieden werden können“, meint Rudolf Höfer.

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