Im Labyrinth der Macht

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Erfolgreiche Burgtheaterpremiere von Schillers "Don Carlos".

Die Szene, in der König Philipp II. seine Sehnsucht ausspricht, einem echten Menschen zu begegnen, versteht das Publikum wahrscheinlich am besten. Die Neuinszenierung von Schillers "Don Carlos" am Wiener Burgtheater präsentiert eine düstere, lieblose Welt: Ein rigides System von Gesetz und Ordnung - aber nicht aus demokratischen Prozessen, sondern aus Machtkalkül und Staatsräson geboren - bestimmt das Leben. Menschliche Gefühle werden unterdrückt, aber insgeheim regen sie sich umso heftiger.

Der spanische Hof, Sitz der größten Weltmacht des 16. Jahrhunderts, gleicht einem Labyrinth aus Glaswänden (Bühne: Martin Zehetgruber), ähnlich einem modernen Großraumbüro, das sich über die ganze, häufig in Bewegung befindliche Drehbühne verteilt. Darin gedeihen Intrigantentum und Spitzelwesen, jeder beobachtet jeden. Gespenstische Szenen, wenn sich etwa die kleine Infantin einsam auf dem Dreirad im Halbdunkel durch diese Gänge bewegt, das Brennen eines Scheiterhaufens angedeutet wird oder am Ende mehrere Menschenkörper herumliegen, schaffen eine beklemmende Atmosphäre.

Regisseurin Andrea Breth enthüllt, dass viele Machthaber gar nicht zu echter Reflexion politischer oder religiöser Inhalte fähig sind, sie halten einfach erzkonservativ an aus ihrer Sicht bewährten Strukturen fest und gehen dabei über Leichen. Sie brauchen Marionetten, aber keine Menschen. Konzernherr Philipp ist zugleich Veranwortlicher und Opfer dieser Situation. Sven-Eric Bechtolf wirkt am stärksten, wenn er die Zerrissenheit dieses Monarchen spüren lässt. Andere sind nur Opfer - wie der schwärmerische Infant Carlos (Philipp Hauß empfiehlt sich mit dieser Rolle auch für den Hamlet). Dessen Freund Marquis Posa, Anwalt der "Gedankenfreiheit", wird vom Leben nicht bestraft, weil er zu spät, sondern um ein bis zwei Jahrhunderte zu früh kommt. Denis Petkovic spielt den Idealisten mehr mit Verstand als mit Gemüt. Frauen haben in dieser Männerwelt wenig zu bestellen: weder Königin Elisabeth (Johanna Wokalek leider schwächer als sonst) noch ihre Hofdamen (am besten Andrea Clausen als Marquise von Mondecar). Der geschlechtslos dargestellte Großinquisitor (Elisabeth Orth) behält das Heft in der Hand.

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