Im Mondschein durch die Nacht

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Ein Nacht-Stück also. "Ich lag im Bett und schlief nicht ein /war noch hellwach und ganz allein /Da plötzlich ..." bekommt das Kind Besuch, nicht vom Monster unterm Bett und nicht von Schreckgespenstern, die durchs offen stehende Fenster hereinflattern. Durch die Tür spaziert ein nachtblaues Wuschelding, das zwar wild aussehen mag mit seinem zotteligen Fell und seinen insektenartigen Fühlern, allerdings erstaunlich rasch gezähmt ist: "Ich sagte komm! Das Nacht-Tier kam."

Kurz darauf besteigt das Kind den Rücken des Tieres und dann geht es los: zu zweit, raus aus dem Haus und raus aus der Stadt -"Ich sagte spring! Das Nacht-Tier sprang." Über die Berge hin zur weiten, offenen See -"Ich sagte schwimm! Das NachtTier schwamm." Durch die mondhelle Nacht bis zum Himmel hoch. Ein Kind und ein magisches Wesen bestaunen die in weiten Panoramen vor ihnen ausgebreitete Natur. Und wir als Betrachter bestaunen die beiden. Nichts scheint sie aufzuhalten, nichts ihre traute Zweisamkeit zu stören. Weit und breit kaum ein weiteres Wesen in all den Bildern.

Eine kindliche Ermächtigungsfantasie

Ab und an ein Kahn, Windräder, eine ferne Stadt. Und natürlich der Mond. Eigenartigerweise mal voll, mal zunehmend, mal abnehmend, Szenen beleuchtend, die an Bilder deutscher Romantik erinnern, aber nichts von deren dunkler Seite zu wissen scheinen. Kurz hält man beim Betrachten inne: Darf so viel an ungebrochenem Glück sein? So viel an bezaubernder Atmosphäre ohne jeglichem inneren oder äußeren Konflikt? Ja! Jens Rassmus gelingt eine überzeugende kindliche Ermächtigungsfantasie. Dass der norddeutsche Künstler, der dem österreichischen Nilpferd-Programm schon lange die verlegerische Treue hält, sowohl über außerordentliches zeichnerisches wie malerisches Können verfügt und die Balance zwischen feinem Strich und dickem Farbauftrag beherrscht, hat er u. a. schon als Illustrator der preisgekrönten Bilderbücher "Der Zapperdockel und der Wock" (Text: Georg Bydlinski) und "Guter Drache & Böser Drache"(Text: Christine Nöstlinger) bewiesen. Hier demonstriert er zudem sein erzählerisches Gespür für die kleine Form.

Der Kraftstoff, der seinen knappen lyrischen Text vorantreibt, enthält in den entscheidenden Momenten ein präzis gemischtes Konglomerat aus Imperativ und Präteritum, einen wundersamen Schwimm-Schwamm-Spring-Sprang-Sprachklang, in dem sich zu jedem ausgesprochenen Wunsch unmittelbar auch dessen Erfüllung gesellt. Erst am Ende übernimmt das bis dahin schweigend-stumme Nachttier das Wort - und auch das Wünschen: "Es sagte schlaf! Und ich schlief ein." So schön ist man noch selten durch die Nacht gekommen!

Buchtipp von FURCHE, Stube und Institut für Jugendliteratur

Das Nacht-Tier Von Jens Rassmus G &G 2018 48 S., geb., € 19,95

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