Im Wellnessressort statt im Dreck-Milieu

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Stark, aber unfertig wirkt Miloˇs Loli´c Inszenierung von Werner Schwabs "Die Präsidentinnen“ am Wiener Volkstheater. Als ob sie einem Wellnessresort entsprungen wären: In weißen Bademänteln mit Goldborte kommen die Präsidentinnen auf die Bühne, die obszöne Grete (Claudia Sabitzer), die manisch sparsame Erna (Katja Kolm) und die unfassbare Mariedl (Martina Stilp). Während sich die drei Damen schminken und die Haare machen, lässt die Regie ihnen Zeit, beim Publikum ein paar Sympathiepunkte zu sammeln. Langsam senkt sich eine rot-spiegelnde Glamourwand über der kargen, nur aus einer Freitreppe bestehenden Bühne. Im Vordergrund steht jetzt ein Mikrophon, um das sich die drei Frauen streiten.

Ist es eine Karaoke-Show, ein Bierzelt oder ein Ausschnitt aus "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“? In den Wunschträumen der Präsidentinnen geht es jedenfalls hoch her. Grete imaginiert sich den Musiker Freddy, dessen flinker Finger ihr gut tut. Erna sieht sich als Braut des tiefgläubigen Karl Wottila, und Mariedl inthronisiert sich als Königin des Fests. Aus allen verstopften WC-Anlagen holt sie mit der bloßen Hand Geschenke, die der Herr Pfarrer dort für sie versteckt hat: eine Dose Gulasch, eine Flasche Bier und ein Parfum.

Mutig umgesetzt

Dann entwirft sie eine Vision des Untergangs. Gretes Tochter Hannelore und Ernas Sohn Herrmann machen sich über die Mütter her und schlagen sie brutal zusammen. Ganz am Ende (zwischenzeitlich wurde Mariedl von den beiden anderen erwürgt) sind die Präsidentinnen wieder vereint. Als ob die drei Damen nur eben in der Sauna gewesen wären, ziehen sie wieder ihre Bademäntel über und singen gemeinsam ein Lied: "Der Herrgott ist ein Autobus …“.

Mutig: Die Umsetzung des Stückes in einem anderen als dem vorgesehenen Dreck-Milieu. Ärgerlich: Dass der junge Regisseur Miloˇs Loli´c sich dabei so sehr auf sein handwerkliches Können und so wenig auf Inspiration verlassen hat. Gut: Die drei Schauspielerinnen. Schlecht: Der mangelnde Spielraum, den die Inszenierung der Mariedl lässt. Wenn sie auf der Bühne "Zipfl eini, Zipfl aussi“ singt, hat man das Gefühl, dass es dabei um ein Stück vom metaphysischen Glück geht und nicht um ein irgendwo real gewachsenes Organ.

Am Ende im Publikum ein paar versteinerte Gesichter. Der Raum aber mit der Kraft des Textes gefüllt, gerade auch dort, wo Schwab mit seiner Sprache etwas Ideologisches im Sinn hat. Religion, Politik und Theater - alles bekommt hier sein Fett ab und vor allem auch die Präsidentinnen selbst. In ihrer ungeheuren Sprache nehmen sie den anderen den Atem. Das hätte man ruhig auch mit ein bisschen mehr aktueller Frische in Szene setzen können.

Die Präsidentinnen - Volkstheater Wien 1., 13., 25. April

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