"Jüdisch-negerische Besudelung"

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Die Ausstellung "Entartete Musik" und die Kinderoper "Brundibar": Gedenken an NS-Opfer.

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Die Ausstellung "Entartete Musik" und die Kinderoper "Brundibar": Gedenken an NS-Opfer.

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Für den späteren Komponisten Friedrich Cerha war sie eine einmalige Gelegenheit, als Jugendlicher mitten im Dritten Reich ungestört und völlig legal "undeutsche" und "kulturbolschewistische" Musik zu hören: die NS-Propaganda-Ausstellung "Entartete Musik", in der - in Anlehnung an die berüchtigte Schau "Entartete Kunst" - "entartete" und nicht "rassenreine" Musik und deren Schöpfer an den Pranger gestellt wurden. Er habe wichtige Anregungen aus der Schau mitgenommen, erinnerte sich Cerha später. Die Ausstellung, die bis 7. Juni im Gustav-Mahler-Saal der Staatsoper zu sehen ist, ist Teil eines Nationalsozialismus-Schwerpunktes im Haus am Ring. Anlaß: der in Österreich erstmals stattfindende Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 5. Mai.

Die kommentierte Rekonstruktion der NS-Schau dokumentiert die groteske Reglementierung des deutschen (und österreichischen) Musiklebens von 1933 bis 1945. Die Nazis unterschieden zwischen "natürlicher" und "rassenreiner" Musik - Anton Bruckner wurde als Vorbild mißbraucht - sowie "entarteter" Musik. Als "entartet" galten so unterschiedliche musikalische Richtungen wie Jazz ("jüdisch-negerische Besudelung"), atonale Musik ("nur noch pathologisch verständlich") und die Werke jüdischer Komponisten wie Felix Mendelssohn-Bartholdy. Rassische Dogmen triumphierten über inhaltliche oder stilistische Kriterien.

Ebenfalls im Rahmen dieses Schwerpunktes wird auf der Eberhard Waechter-Probebühne die Kinderoper "Brundibar" von Hans Krasa gegeben. Das (musikalisch wenig aufregende) Werk blickt auf die denkbar grausamste Aufführungsgeschichte zurück: Es wurde nämlich im Konzentrationslager Theresienstadt uraufgeführt - danach rund 50mal offiziell und unzählige Male inoffiziell. Die meisten Kinder, die in "Brundibar" sangen und die meisten ihrer Zuhörer endeten in den Gaskammern von Auschwitz. Die Geschichte der Brüder Pepicek und Andrasek, die zusammen mit anderen Kindern und Tieren den bösen Leierkastenspieler Brundibar verjagen, hat unzähligen Opfern des Nationalsozialismus in ihren letzten Wochen ein wenig Trost gespendet.

Unter der Leitung von Agnes Grossmann singen und spielen die Wiener Sängerknaben. Die Aufführung ist vor allem gut gemeint. Ob mit dieser Inszenierung - einfachste Mittel, Alltagskleidung - das kindliche Publikum berührt und ihnen der Schrecken des Nazi-Terrors begreiflich gemacht werden kann, ist jedoch fraglich. "Das war alles?", wunderte sich ein enttäuschter Achtjähriger nach der Vorstellung Weitere Vorstellungen: 26., 28., 30. und 31. Mai.

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