Jüdische Erinnerungen

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Gedenkdienst in New York.

Sie machen nachdenklich, die Gesprächspassagen, denen man zuhört vor Panoramafotos alter jüdischer Emigranten in ihren New Yorker Wohnungen. Erinnerungen an das Wien vor 1938, persönliche Lebensschicksale und der schwierige Neubeginn in den USA erstehen vor den Augen und Ohren des Zuhörers. "Vom Großvater vertrieben, vom Enkel erforscht? Zivildienst in New York" heißt die Ausstellung des Wiener Jüdischen Museums, in der bis 13. Oktober die Biografien ehemaliger österreichischer Mitbürger mehr als sechzig Jahre später nachzuerleben sind.

Seit 1995 nämlich interviewen österreichische Zivildiener in New York für die Austrian Heritage Collection vertriebene Juden und sammeln Dokumente über deren Emigration. Die Austrian Heritage Collection bildet mittlerweile eine der wichtigsten Oral-history-Sammlungen zur österreichischen Zeitgeschichte. Und es war die Idee ehemaliger New Yorker Zivildiener, eine Auswahl aus diesen zahlreichen Gesprächen und Materialien in einer Ausstellung einem größeren Kreis zugänglich zu machen. Etwa 25 österreichische Zivildiener jährlich entsendet der Verein "Gedenkdienst", der heuer das zehnjährige Jubiläum seiner Gründung feiert, zu Holocaust-Gedenkstätten in der ganzen Welt. Seine Zielsetzung besteht unter anderem darin, Aufklärungsarbeit und Bewußtseinsbildung über die Auswirkungen des Nationalsozialismus in Österreich zu leisten.

Den jungen Gedenkdienern in New York ist es wichtig, nicht an einer Gedenkstätte in einem Konzentrationslager zu arbeiten, sondern lebenden Zeugen der Geschichte zu begegnen und mit den 1938 vertriebenen Juden zu kommunizieren. Lebensgeschichten der aus ihrer Heimat Vertriebenen, erhalten gebliebene Dokumente und Erinnerungsstücke sollen bewahrt, deren unterbrochene oder erhalten gebliebene Beziehungen zu Österreich festgehalten werden.

Durch Interviews reflektiert die Ausstellung aber gleichzeitig auch die Situation der Jungen. Sie sprechen über ihre Motivationen, die oft erst durch den Gedenkdienst selbst klarer wurden und die eigenen biografischen Voraussetzungen deutlicher hervortreten ließen. Mag sein, dass manches von diesen Interview-Gesprächen das in der eigenen Familie unmögliche Reden und Aufarbeiten der Vergangenheit ersetzte. Dass daraus immer wieder emotionale Stresssituationen für beide Gesprächspartner aufkommen konnten, dass manchmal aber auch fast freundschaftliche Großeltern-Enkelkind-Beziehungen entstanden, verwundert nicht. Im Wechsel zwischen Englisch und Wienerisch, im Eintauchen in die häufig wienerisch anmutende Atmosphäre der Emigranten-Wohnungen lag zweifellos kein geringes Emotionalisierungspotential. Wer sich der höchst gelungenen Präsentation dieser Ausstellung mit einfühlender Aufmerksamkeit nähert, wird vieles davon nachempfinden können.

Gleichzeitig präsentiert das Leo Baeck-Institute in New York derzeit eine zweite kleinere Ausstellung aus den gesammelten Materialien.

Bis 13. Oktober

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