Kakanischer Niedergangshauch

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Es ist ganz einfach: #Die Frau ohne Schatten#, auf ein Libretto von Hugo von Hofmannsthal in Musik gesetzt von Richard Strauss, ist heute nicht weniger zwiespältig als 1919. Die Läuterungsoper klingt nicht bloß in den oft holprigen bis altvaterischen Versen hohl und konstruiert (als #Fortdenkung# der #Zauberflöte# von ihren Schöpfern intendiert), auch die meisterlich orchestrierte Partitur klingt mehrfach nach Wagner im Shredder. Von Arthur Schnitzler bis Hans G. Helms gibt es sachkundig distanzierte bis wenig enthusiastische Beurteilungen.

Die Intendantin beweist erneut Intelligenz in der Regisseur-Wahl. Marco Arturo Marelli, der seine Kompetenz schon am Grazer #Rosenkavalier# und an der #Arabella# mühelos nachwies, nimmt Hofmannsthal einfach wörtlich. Das Kunstmärchen bekommt kaum merklich k.u.k. Niedergangshauch: Im Palast antichambrieren drei Militärs vor den Privatgemächern des Kaiserpaares. Im Boudoir warten, in Vitrinen ausgestellt, Pfeil und Bogen, Krone und Schwert, Diplomatenfrack und Paradeuniform auf den in der Thronerbenproduktion säumigen Herrn, der lieber ohne Aktenerledigung zu einer dreitägigen Jagd entfleucht. Wie soll da aus der Geisterprinzessin eine liebende Frau werden, die einen Schatten wirft?

Keine zwanghaften Verrätselungen

Von dieser auch für Erst-Seher (an der Grazer Oper war das Werk zuletzt 1962 zu erleben) verständlichen Exposition aus führt dann der Weg durch die Welt der (kriegsversehrten) Menschen, in Baraks Lumpenlager, wo der gute Mann um sein kleines Glück mit seiner Färberin kämpft. Geisterbote und singender Falke erscheinen bald ebenso plausibel wie die abseitigen Zauberintrigen der Amme der Kaiserin. Alles geht in Marellis feinfühliger Personenführung und blau-grau-silberner Bühnenästhetik ohne zwanghafte Verrätselungen auf.

Bei jedem Aktschluss Bravo-Rufe für Optik und Akustik, bei jedem Aktbeginn Jubel über Orchester und Dirigent. Seltener als gewohnt wird Johannes Fritzsch zu laut, gewichtet subtile Klangmalerei und Horuck-Leitmotivik schön ausbalanciert. Das bis in die Parterre-Proszeniumslogen hinaufwuchernde Orchester folgt mit höchster Klangpräzision.

Da kann als Barak James Rutherford, inzwischen auch Bayreuth-erprobter Sachs der Grazer Opernsaison 2009/10, ohne jegliches Forcieren alle Feinheiten seiner weichtimbrierten Bassbaritonstimme ausmodellieren. Da gibt ihm die New Yorkerin Stephanie Friede als Färberin mit herbem Heroinensopran Contra. Da girrt und schmeichelt Michaela Martens aus Seattle mit mephistophelischem Totaleinsatz als Amme. Da darf der knapp 30-jährige Texaner Corey Bix als Kaiser Stratosphärenkantilenen wagen, ohne vom Orchester zugedeckt zu werden. Eine Lichtgestalt von edler Erscheinung, im hautengen weißen Abendkleid einer blonden Diva, besticht die Schweizerin Marion Ammann als Kaiserin mehr durch ihr intensives Spiel als durch ihre Artikulation. Die Eiszacken ihrer tessitura schneiden mitunter ins Trommelfell. Aber auch sie bekommt ihren Anteil am reichlichen Applaus.

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