Kalter Krieg, aufgewärmt

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Heuer gibt es zwei 100. Geburtstage zu feiern, die ein Licht auf unser Verständnis der österreichischen Kulturgeschichte nach 1945 werfen: Friedrich Torberg und Hans Weigel waren markante Figuren - Wiener Juden (mit ziemlich gegensätzlichem Verständnis von Judentum), Remigranten, Hommes de lettres, Erzähler von unterschiedlichem Format, geistreiche Causeure, kritische Zeitgenossen - und wohl die Letzten ihres Schlages. Heute sieht man in ihnen vor allem eines: Kulturkämpfer. Dass die Sozialdemokraten Weigel und Torberg als Theaterkritiker 1953-1958 an den großen Bühnen des Landes den so genannten Brecht-Boykott durchsetzten (Torberg: "Ich bin nicht, gegen Brecht'. Ich bin gegen die Brechtokokken"), wird heute als ihr wesentlicher Beitrag zum kulturellen Geschehen gesehen und verdammt. Auch wenn man die reale kommunistische Bedrohung bedenkt, scheint es seltsam und unangenehm fanatisch, eine totalitäre Ideologie bekämpfen zu wollen, indem man das Volk vor den Werken eines ihr anhängenden Dichters schützt.

Andererseits verdeckt das Rezeptionsklischee die Verdienste der beiden Heimkehrer. Während Weigel immerhin als der große Talente-Entdecker gilt, hat Torberg nicht nur unermüdlich "fellow travellers" der Sowjetunion gejagt, sondern auch gegen Avantgardisten gewettert. So erscheint er vielen als doppelt altmodisch. Manche waren selbst noch in jene Scharmützel verwickelt, andere führen Stellvertreterkriege. Die Antipathie wird auf Torbergs Biografen und Nachlassverwalter David Axmann übertragen, der beim herbstlichen Torberg-Symposion im Rathaus Persona non grata ist, ja sogar zur Präsentation des von ihm freigegebenen Briefwechsels Friedrich Torberg-Marlene Dietrich hat man ihn nicht geladen. Dabei wäre, 50 Jahre danach, die Zeit reif für eine Debatte ohne Ressentiments.

Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin in Wien.

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