Komödie ohne Heiterkeit

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Andrea Breth inszenierte am Burgtheater Tschechows "Kirschgarten".

Das Mobiliar liegt schon zu Beginn umgestürzt im unnötig weiten Bühnenraum (Gisbert Jäkel). Ein überdimensionales Abflussrohr ragt herein, hat aber sonst keine Funktion. Die Vorhänge an der langen seitlichen Fensterfront sind meist zugezogen. In der Neuinszenierung von Andrea Breth lässt "Der Kirschgarten" von Anton Tschechow keinen Platz für Illusionen: Von Anfang an wird Dekadenz und Abschied zelebriert.

Es passiert nicht viel in diesem Stück, außer dass ein Landgut samt einem weithin berühmten Kirschgarten unter den Hammer kommt. Denn die zu Beginn aus Frankreich heimkehrende Gutsbesitzerin Ranevskaja (Andrea Clausen) hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt und sich hoffnungslos verschuldet. Der Kaufmann Lopachin (Sven-Eric Bechtolf), Nachkomme von Leibeigenen der Gutsbesitzerfamilie, der ihr geraten hat, den Garten abzuholzen und dort Sommerhäuser zu bauen und zu vermieten, erwirbt schließlich selbst den Besitz und beginnt mit der Umsetzung seiner Ideen. Das Haus bleibt scheinbar menschenleer zurück - nur den uralten Lakai Firs (Ignaz Kirchner), der nun mit dem Kirschgarten sterben wird, hat man darin vergessen, wie man schon vorher das Rezept vergessen hatte, die Kirschen gewinnbringend zu verarbeiten und zu verkaufen.

Eine "Komödie", wie Tschechow sein letztes Drama genannt hat, weil er anscheinend sowohl den abgewirtschafteten Landadel als auch das Getue der Emporkömmlinge und Revoluzzer witzig fand, hat Andrea Breth nicht inszeniert. Dabei geht von einigen Figuren komische Wirkung aus, vor allem von Gaev (Udo Samel), dem geschwätzigen Bruder der Gutsbesitzerin, vom ewigen Studenten Trofimov (Cornelius Obonya), vom liebeshungrigen Dienstmädchen DunjaÇsa (Heike Kretschmer), von der Zaubertricks demonstrierenden alten Gouvernante ÇSarlotta (Elisabeth Orth) oder vom ständig in Geldnöten befindlichen Gutsbesitzer Simeonov (Branko Samarovski).

Breth hat aber auch keinen zu Herzen gehenden Abschied vom alten Russland inszeniert, auch keine halbe Tragödie, bei der man großes Mitgefühl mit einer der handelnden Personen empfinden könnte - am ehesten noch mit Varja (Teresa Weißbach), der Pflegetochter der Ranevskaja, die von Lopachin nicht den ersehnten Heiratsantrag bekommt, aber auch das hat komische Züge. Und Breth hat auch nicht inszeniert, dass der Feudalismus dem Kapitalismus oder gar die Natur der Bauwirtschaft oder dem Tourismus weicht. Sie lässt einfach das Geschehen mit ein bisschen Schnickschnack - etwa wenn sich der junge Lakai JaÇsa (Nicholas Ofczarek) seiner Kleider bis auf die Unterhose entledigt oder ein Tablett auf dem gebeugten Rücken des alten Firs abstellt - ziemlich langatmig im bei ihr jetzt schon üblichen Einheitsbühnenbild abrollen. Sie wollte offenbar etwas anderes als bisherige "Kirschgarten"-Inszenierungen bieten, dazu ist ihr nur leider zu wenig eingefallen. Es sind die sehr guten Akteure, insbesondere Kirchner, Bechtolf, Samel und Andrea Clausen, und ein für Stimmung sorgendes Jüdisches Orchester, die den Löwenanteil vom Applaus für diesen Abend verdienen.

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