Konsumkritischer Kaktus

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Kunst aus den EU-Beitrittsländern in der Wiener BAWAG-Foundation.

Ein Billa-Sackerl steht alleingelassen am Boden. Die herausragenden Lebensmittel bewegen sich und produzieren seltsame Töne. Anwesende Kinder amüsieren sich. Erwachsene denken in Zeiten des wachsenden Terrors jedoch auch an das horrible Innenleben, das mit Bomben gefüllte besitzerlose Taschen führen können. Das witzig-bedrohliche Objekt "I am sick of it all" nimmt auf äußerst humoristische Weise die Konsumgesellschaft auf die Schaufel. Kreiert hat es der in Prag geborene Künstler KriÇstof Kintera. Gemeinsam mit einem zweiten Objekt Kinteras, dem nicht minder konsumkritischen Kaktus aus Bierdosen "Homegrown Nr 1", ist es derzeit in einer Schau der Bawag Foundation zu sehen.

Anlass der Ausstellung "Eintritt Frei", in der zwölf Künstler aus Bratislava, Budapest, Ljubljana, Prag und Wien vorgestellt werden, ist die bevorstehende EU-Erweiterung. Um nicht in die Tradition zahlreicher Osteuropa-Ausstellungen zu fallen, interessante exotische "Ostkunst" zur Belebung der westlichen Kunstszene zu zeigen, stellt Bawag-Foundation-Direktorin Christine Kinitsch bewusst Künstler aus Österreich Künstlern aus den Beitrittsländern gegenüber. Dass Künstler hier wie da tatsächlich verwandte ästhetische Strategien verfolgen, kann man an der Arbeit des in Wien lebenden Schweizers Marcus Geiger sehen. Geigers Installation dominiert den Eingangsbereich der Bawag-Foundation. Ähnlich wie Kintera bezieht Geiger hier seine Objekte aus der Warenwelt. Kübel mit Dispersion, erworben in Baumärkten fünf verschiedener Beitrittsländer, hat Geiger zu einer riesigen Baustellen-Skulptur gestapelt. Die Kübel haben alle das gleiche Äußere. Lediglich die Aufschrift in unterschiedlichen Sprachen verweist auf die divergierende Herkunft. Dass Geiger mit seiner Arbeit auf den Umbauzustand Europas anspielt, ist nicht zu übersehen.

Parallelen zwischen Kunsttendenzen diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs lassen sich bis in die sechziger und siebziger Jahre zurückverfolgen. Dies führt eine Gegenüberstellung von Valie Exports Aktionsfotos und Fotos des Performance-Künstlers JiÇrí Kovanda anschaulich vor Augen. Beide haben in den siebziger Jahren bei Stadtspaziergängen kleine, künstlerische Eingriffe im Öffentlichen Raum gemacht und diese fotografisch festgehalten.

Ob die Durchmischung tatsächlich zum Durchbrechen der inneren Grenzen beiträgt, bleibt fraglich. Erst wenn Künstler aus unterschiedlichsten Ländern und Kontinenten selbstverständlich am Kunstmarkt nebeneinander präsent sein werden, ohne dass überhaupt geografische Zuordnungen wie "Kunst aus Australien" oder "Kunst aus den Beitrittsländern" mehr notwendig sind, wird die "Integration" vollzogen sein. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Denn wie Studien zeigen, dominieren Künstler aus Westeuropa und den USA nach wie vor die Kunstlandschaft.

EINTRITT FREI

Kunst aus Bratislava, Budapest,

Ljubljana, Prag und Wien

Bis 19. Juni 2004 in der Bawag Foundation, Tuchlauben 7a, 1010 Wien,

Mo-Sa 10-18 Uhr

www.bawag-foundation.at

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