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Raymond Queneau schrieb vor 23 Jahren „Stilübungen“, die durch ihre Sprachequilibristik internationales Aufsehen erregten und zur Initialzündung für Sprachexperimente so mancher Autoren wurden. Eine szenische Darbietung gab es sofort in Paris, vor fünf Jahren in Berlin, Aufführungen an sonstigen deutschsprachigen Bühnen folgten. Nun sind diese zahlreichen kurzen Etüden unter dem Titel „Autobus S“ im Kleinen Theater der Josefstadt zu sehen.

Die Schilderung eines völlig belanglosen Begebnisses in einem Autobus und eine ebenso belanglose Beobachtung vor einem Bahnhof, die nur wenige Zeilen umfassen, variiert Queneau 107mal. Daß dies dermaßen oft gelingt, ist beinahe unfaßbar. 46 Abwandlungen gelangen zur Aufführung. Queneau zeigt vor allem die vielfältig verschiedene Auswirkung eines Ereignisses im menschlichen Bewußtsein, die Unsicherheit der Beobachtung, das Ausschließen dessen, was nicht war, das Hervorheben von Maßangaben, die Aufnahme durch weibliche Denkart Artifi-zielle Spiele mit dem sprachlichen Material, das sich dabei ergibt, kommen zahlreich hinzu, das Prägen neuer Wortverbindungen, das Weglassen von Silben, das Versetzen von Konsonanten, Lautmalereien. Für manches davon gibt es längst lateinische und griechische Bezeichnungen: Apokopen, Aphäresis, Pareche-sis.

Es ist erstaunlich, wie vorzüglich es Paul Vasil gelingt, diese völlig bühnenfremden und in ihrer Häufung beim Lesen ermüdenden Texte durch den Einsatz von vier Darstellern szenisch umzusetzen. Manchmal kann eine Stelle gestisch ausgedeutet, dadurch im Ausdruck verstärkt werden, doch meist findet eine attraktive Überlagerung durch Bewegungsvorgänge und durch Lichtwirkungen statt, so daß das artifi-zielles Spiel Queneaius in ein artifi-zielles Spiel der Darbietung diffundiert. Die szenische Phantasie Vasils quillt über, die Darsteller Helly Servi, Peter Hofer, Peter Matic, Peter Vogel vollziehen die Vorgänge mit vollendeter Präzision.

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