Auf dem Paseo de la Florida, einem ehemals königlichen Areal, steht die sehr einfache und dabei sehr noble kleine Kirche von San Antonio de la Florida. — Vom ersten Augenblick an wird der Blick des Eintretenden unwiderstehlich zur Kuppel emporgezogen, welche den einheitlich und geschlossen wirkenden Kirchenraum in vollendeter Harmonie überwölbt.
In dieser hat der Maler das Wunder einer Totenerweckung durch den heiligen Antonius dargestellt, dem eine bunt zusammengewürfelte Menge teils ergriffen, teils bloß neugierig gaffend oder auch gar teilnahmslos beiwohnt. Wohl nimmt die Gestalt des Kirchenpatrons eine dominierende Stellung in der Gesamtkomposition der einzelnen Gruppen ein, die hinter einer den Aufsatz der Kuppel umlaufenden glatten und schmucklosen Stabbalustrade dargestellt sind, doch gilt das Interesse des Beschauers nicht allzu lange dem wunderwirkenden Franziskaner, auch nicht dem vom Tode Wiedererweckten, noch auch einem von falscher Anklage Freigesprochenen, denen zwar gegenständlich und optisch eine besondere Bedeutung zukommt. Es ist vielmehr der Schauplatz des Wunders, nämlich die in zarten Farben und Formen oft nur angedeutete, luft- und lichterfüllte Landschaft, deren Reflexe sich auf den einzelnen Figuren spiegeln, in die sich der Betrachter in eigentümlicher Weise hineingenommen fühlt; so wird ihm ein bisher unbekannter Aspekt von Goyas Kunst enthüllt. Die Gewänder der Frauen und vor allem deren Gesichter umspielt ein faszinierendes modellierendes Licht, das auch auf einem mitunter banalen, sogar gewöhnlichen Antlitz zu einem inneren Leuchten wird, das besonders den Kindern, Mädchen und Matronen auf den unter der Kuppel angeordneten Zwickel und Segmenten eine überirdische Aura verleiht, die sich in der über dem Hochaltar betenden, singenden und tanzenden Engelgruppe zu einem himmlischen Konzert von hinreißender Schönheit steigert.
Auch diesen Goya muß man erlebt haben, um ihn ganz zu kennen.
