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Frühe satirische Abrechnungen

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Es ist schon merkwürdig, daß in Wiens Bundesmuseen die Vertreter der Gruppe Wirklichkeiten noch keine umfassenden Retrospektiven bekommen haben. Einer dieser Vertreter ist bekanntlich Franz Ringel, der im Jahr 1980 seine Signatur auf M. J. M. Ringel geändert hat. Die Buchstaben bezeichnen Margarethe, Ringels Stiefmutter, Juliane, seine leibliche Mutter und Maria, die Ehefrau. Sie sollen die drei für ihn wichtigsten inspirierenden Bezugs- und Leitfiguren kennzeichnen. Die Änderung der Signatur bedeutet einen entscheidenden Schritt in der malerischen Entwicklung Bin-gels. Das macht eine umfassende Schau in Berlin (Walther-Ratenau-Saal im Rathaus Wedding und im Schinkelsaal der Alten Nazarethkir-che) deutlich. Die frühen Arbeiten waren satirische Abrechnungen mit der Welt. Die mit erotischen Symbolen gefüllten Rilder zeigen Antihel-den, die genau das Gegenteil von dem darstellen, was einem die heile Welt der Werbung vorgaukelt.

Die späteren Arbeiten sind durch einen vehementen Malgestus gekennzeichnet, der an das Informell erinnert, gleichzeitig aber der Darstellung der menschlichen Figur treu bleibt. Offene, nicht zugemalte oder nur sehr wenig bearbeitete Hintergründe treten in schroffen Kontrast mit überaus kleinteilig bearbeiteten Figuren, Gegenständen und organischen Wesen. Besonders herauszuheben sind die Selbstporträts, in denen die Körperhaltung all die Problematik beinhaltet, die als Motor für diese Form der Kunst bestimmend sein mag. Da ist viel Qual und Leiderfahrung spürbar.

Nicht weniger bedrohlich, weniger zynisch oder gar kompromißbereiter sind Ringels Arbeiten nun, im Gegenteil, ihr Zynismus wirkt deswegen noch brutaler, weil die äußere Erscheinung des Künstlers noch drastischer gezeichnet ist. (Bis 2. April)

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