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NICHT KÄUFLICH

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Meint man nicht, in unserer Zeit alles, auch die Menschen, auch den Geist, auch die Gesinnung mit Geld zu kaufen? Die amerikanischen Filmproduzenten, die jetzt in biblischen Monsterfilmen ein Geschäft wittern, haben mit Millionen gelockt, um das weltberühmte Oberammergauer Passionsspiel durch die Kinos der Welt laufen lassen zu können. Es ist nicht das erstemal, daß den Oberammergauern die Verfilmung des Passionsspiels nahegelegt wurde. Jetzt scheint das größte Angebot, die „große Versuchung“, wie es in der Meldung aus Oberammergau heißt, an sie berangebracht worden zu sein. Und die Gemeinde des Passionsspieldorfes hat, wie zuvor, so auch jetzt wieder „nein“ gesagt, sie hat der Verlockung „mit Standhaftigkeit widerstehen müssen“. Sie hat „nein“ gesagt zum Geld, das sie gewiß, wie andere Leute auch, gut brauchen könnte. Wäre nicht mit einem Schlag die Bergbahn auf den Laber finanziert, deren Bau schon längst besonnen, aber wegen Geldmangel noch nicht vollendet werden konnte? Wären nicht andere Pläne für den Fremdenverkehrsort spruchreif geworden? Aber Oberammergau sagte „nein“ zum Geld, weil es „nein" zur Verfälschung seiner Passion sagte. Das Passionsspiel ist diesen Menschen unter dem Kofel kein „Theater", kein Spiel wie ein anderes, es ist ein Werk frommen Geistes, treuer Bewahrung des Gelübdes der Väter vor mehr als dreihundert Jahren, „alle zehn Jahre die Passionstragödie zu halten", gelobt zum Dank, für die Errettung aus der Pestnot. Ein Gelübde kann man nicht verkaufen, man kann es nur selbst vollziehen. Der Mensch spielt hier vor Gott. Wie könnte ein solches Spiel mechanisiert über die Leinwand der Kinos gehen, vor Kinobesuchern, die nicht — wie es im Begrüßungsprolog in Oberammergau heißt — „die Liebe hier um den Heiland vereint, trauernd Ihm nachzugehen, von nah und fern gekommen“? Das Oberammergauer Passionsspiel hat seinen Ort allein unter dem Himmel von Oberammergau, im Spiel der Menschen des Dorfes, im Vollzug durch die Nachfahren derer, die es gelobt haben. Darum haben die Oberammergauer „nein" gesagt, das Gelübde dem Geschäft vorgezogen, und damit das Spiel vor der Profanierung bewahrt. Haben sie nicht, so fragt die „Badische Zeituifg“, standhaft widerstehend, damit allen ein Beispiel gegeben, daß auch heute nicht alles in der Welt für Geld zu kaufen ist?

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