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Richard Avedons Evidence

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Obdachlose, Tramper, Gestrandete. Alle in ähnlicher, steifer Pose. Die Modeschöpferin Chanel, gemeuchelt. Schrille Typen New Yorks, Küßchen-Küßchen-Pro-minenz aller Kategorien. Richard Avedon ist 71 Jahre alt. Er wurde in New York geboren, begann mit 18 Jahren zu fotografieren und gilt als Star der Stars unter den Fotografen.

Viele Seelen wohnen, ohne ach, in seiner Brust. Oder seinem Auge. Der Society-Fotograf, dessen Bilder mit Gold aufgewogen werden. Der Gesellschaftskritiker, der den Widerstand gegen den Vietnamkrieg dokumentierte und auch selbst nach Vietnam fuhr. Der Experimentator, der fier Collage Audrey Hepburn in ein ünfköpfiges Fabelwesen und den Prediger AI Sharpton per Doppelbelichtung in eine ausdrucksvolle Molluske mit drei Augen und zwei Mündern verwandelte. Der Begisseur, der bereits in den vierziger Jahren in

Paris viel Sorgfalt für das Arrangieren von Straßenszenen aufwendete, die dann im Bild wie Meisterwerke der Schnappschußfotografie wirkten. Der Wahrheitssucher, dessen Porträts des alten Vaters zu den Meisterwerken der veristischen Fotografie zählen. Der fanatische Techniker, der nicht das kleinste Detail dem Retuscheur in der Druckerei überläßt. Der Künstler, der die Werbung mit ihren Herausforderungen an die Kreativität (und ihrem Geld) nicht scheut. Und noch einige mehr.

Avedon ist ein unermüdlicher, perfektionistischer Arbeiter, der, wenn er einen bestimmten Effekt erzielen will, keine Anstrengung scheut. Viele seiner Bilder entstanden mit dem Bleistift auf dem Zeichenblock, bevor er zur Kamera griff.

So das berühmte Foto des kalifornischen Imkers Bonald Fischer, auf dessen Kopf, Hals und Oberkörper sich weit über 100 Bienen niedergelassen haben. (Die Stellen, an denen Avedon sie haben wollte, wurden mit Bienenköniginnen-Pheromon bestrichen, Fischer wurde zweimal, Avedon einmal gestochen.) Das Bild war in Avedons Kopf fertig, dann suchte er den Imker dafür.

Für das Gruppenbild des US-Beraterstabes in Vietnam („The Mission Council”) wurde jede Person abgemessen und jedes Detail auf Papier festgelegt, ehe es an die Realisierung ging. Fazit für junge Fotografen: Fotografie ist Arbeit, Arbeit und wieder Arbeit. Nicht nur mit der Kamera, vor allem im Kopf. Talent ist „nur” Voraussetzung.

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