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Unheimliche Schönheit

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Das „österreichische Museum für angewandte Kunst" — einfacher und bekannter' Kunstgewerbemuseum — wechselt in einigen sein r Schauräume die Ausstellungsobjekte in regelmäßigen Abständen aus: solcherart bemüht es sich mit viel Glück, die Vorzüge des Museums mit denen eines Ausstellungshauses zu vereinen und immer neuen Anreiz zum Besuch seiner einzigartigen Sammlungen zu bieten.

Diesmal sind es Gläser aus der Zeit um 1900 und klassizistische Möbel, die im Säulen- und Palffy-Saal gezeigt werden-, unter den Gläsern befindet sich eine Kollektion von jenen Tiffany-Arbeiten, die, mit unseren Augen gesehen, wohl zum Edelsten gehören, was Sezessionismus und Jugendstil an Kunsthandwerk hervorgebracht haben: schimmernde Seltsamkeiten von äußerst erlesener Farbigkeit — man muß preziöse Worte suchen, um diese Dinge beschreiben zu können. Auffallen- derweise aber wirken die Tiffany-Gläser ebenso schön wie in einem gewissen Sinne unangenehm: zahllosen anderen Jugendstilerzeugnissen gleich, ahmen sie die organischen Formen von Wurzelsäcken, Halmen oder pflanzlichen Hülsen nach. Doch das Material widerspricht dieser bisweilen sehr weit getriebenen Nachahmung, und so entstehen seltsame Zwitterdinge, die nicht recht organisch und nicht recht anorganisch und ebenso abstoßend wie — ästhetisch — anziehend wirken; der „surrealistische Gegenstand" ist vom Jugendstil, nicht von den Surrealisten ęntdeckt worden. — Zarte Lobmeyer-Gläser vervollständigen neben anderen die Ausstellung, der man eine Nachfolgerin wünschen würde, in der die Glasarbeiten der Gegenwart — etwa die der Finnen oder Italiener — zu sehen wären: es würde allerdings schwerfallen, für eine solche Exposition gute österreichische Objekte zu finden — seit der Wiener Werstättenzeit ist bei uns nicht viel Neues geschaffen worden. Schade genug.

Uber die klassizistischen Möbel ist nicht viel Neues zu sagen; hinzuweisen ist auf das silberne und vergoldete Reiseservice des Herzogs von Reichstadt: diese Gebrauchsgegenstände nämlich könnten, von dem sparsamen „antiken" Dekor abgesehen, ebensogut von heute und etwa von Auböck stammen, diesem besten der Wiener Kunsthandwerker; sie sind ein tröstlicher Beweis dafür, daß es wenigstens in der Gebrauchskunst wirklich so etwas wie vollkommene und zeitlose Formen gibt.

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