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Auf der Suche nach der Identität

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Einer der bedeutendsten lateinamerikanischen Lyriker, Roberto Juarroz, wird erst jetzt allmählich in Europa entdeckt - zu unrecht, wie die Lektüre beweist.

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Einer der bedeutendsten lateinamerikanischen Lyriker, Roberto Juarroz, wird erst jetzt allmählich in Europa entdeckt - zu unrecht, wie die Lektüre beweist.

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Ihnen genügt es, sich umzuschauen, damit jede prosaische Sicht in Stücke zerfällt angesichts dieser gesamten Aneignung des Daseins durch die Poesie.“ Nicht von ungefähr schreibt der große argentinische Schriftsteller Julio Cortazar dies in seiner Einleitung zum vorliegenden Bändchen seines Landsmannes Roberto Juarroz. Denn ähnlich wie die Autoren Cortazar und Borges ist der 1925 geborene Poet Juarroz dem phantastischen und freischweifenden Elementen der Literatur verhaftet.

Seltsam genug ist es ja, daß ein so bedeutender Literat — immerhin einer der wichtigsten lateinamerikanischen Lyriker - erst jetzt zu einer deutschsprachigen Einzelausgabe seiner Werke gelangt ist. Doch freuen wir uns darüber, denn diese Gedichte aus dem Zeitraum 1958 bis 1993 sind eine Entdeckungsreise wert, auf die man sich dabei zu begeben hat! Von Tobias Burghardt kongenial übersetzt, ist diese Lyrik stringentester Ausdruck eines poetisehen Existenzialismusdenkens, das sich an Versokratikern wie Parmenides oder Heraklit zu orientieren scheint. Kein Zufall wohl auch, daß Rene Char oder auch Octavio Paz Roberto Juarroz emphatisch gefeiert haben. Der Dichter sieht die Aufga be der Poesie zuallererst im Auffinden der verlorenen Identität. Darum bemerkt Tobias Burghardt denn auch sehr zutreffend dazu: „Mit ,der vertikalen“ Blickrichtung ist eine sinntragende und suggestive Bewegung gemeint, die kraftvoll ,nach unten“ zielt, eine Geste der Sprache: der geistige Gründerimpuls durch das Wort.“ Und man wird dann auch beim Lesen dieser höchst sprachmächtigen Gedichte von Bildern eines anfänglich-gründenden Philosophierens begleitet, das zwingend anzeigt, daß Juarroz nicht nur ein inspirierter Lyriker ist, sondern ein ebensolcher Denker. Hier also ist der Idealfall dichterischen Juns eingetreten: Trifft Poesie in die Mitte des Denkens, indem sie sein freies und doch wieder ordnendes Wesen zur Sprache bringt, ist das Gedicht* gelungen.

VERTIKALE POESIE (1958-1993)

Ebn Roberto Juarroz.

Hrsg, und mit einem Nachwort versehen von Tobias Burghardt Edition Delta. Stuttgart 1995. 85 Seiten, öS 175,-.

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