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Auf eiskalter Bühne

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Mit seiner katastrophalen Stimmung und eisigen Atmosphäre, mit der ständigen Affinität zum Krankhaften, Dämonischen, Tödlichen ist in dieser „Prosa“ derselbe Thomas Bernhard unverkennbar, der „Frost“ (1963), „Amras“ (1964), „Verstörung“ (1967) schrieb.

In den sieben Erzählungen des Suhrkamp-Bändcfaens „Prosa“ findet der Leser jedoch leichter Zugang zur Eigenart dieses österreichischen Schriftstellers der Gegenwart, der wohl einer der bemerkenswertesten und unbequemsten seiner Generation ist. Denn die schier endlosen monologisierenden Passagen der Romane Bernhards — zwar ein charakteristischer Zug seiner Prosa, aber gleichzeitig eine Schranke, die dem Leser den Zutritt zu seinem Werk sehr schwer macht — sind in der hier vorliegenden Prosa der kurzen Form überschaubarer und erträglicher.

Trotz dieser Erleichterung, die die kleine Form mit sich bringt, bleibt die meditierende Spiraäbewegung als künstlerische Eigenart Bernhards gewahrt und der Grundtenor seiner Aussage vom verstörten, tödlich getroffenen Menschen unvermindert deutlich und hart: „Eine riesige eiskalte Bühne war seine Kindheit, war seine Jugend, war sein ganzes Leben gewesen, nur dazu da, um ihn zu erschrecken, und die Hauptrolle auf dieser Bühne spielten immer nur seine Eltern und Schwestern; sie erfanden immer etwas Neues, das ihn verstören mußte. Manchmal weinte er, und wenn ich ihn fragte, warum, antwortete er: weil er den Vorhand der Bühne nicht zuziehen könne; er sei zu kraftlos dazu; immer weniger oft könne er den Vorhang der Bühne nicht zuziehen fürchte sich davor, ihn eines Tages überhaupt nicht mehr zuziehen zu können; wo er hingehe, wo er sich befinde, in welchem Zustand immer, er müsse sein Schauspiel anschauen.“ (Aus: „Das Verbrechen eines Innsbrucker Kaufmannssohns“, S. 86.) Thomas Bernhard will Illusionen wie einen Vorhang wegreißen, die eiskalte Bühne zeigen, auf der sich die Wirklichkeit abspielt. Nach der Lektüre möchte man mit Friedrich Heer sagen: „Am meisten entsetzt den, der da näher tritt, die Härte des Österreichers: die große Härte gegen sich selbst“

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