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Sentimentale Reisen

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Die „Gedichte in sechs Reisen“, wie es im Untertitel heißt, suchen etwas krampfhaft nach Tiefgang.

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Die „Gedichte in sechs Reisen“, wie es im Untertitel heißt, suchen etwas krampfhaft nach Tiefgang.

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Der Wiener Arzt Alexander A. Bankier, Jahrgang 1962, hat sich schreibend auf Reisen gemacht. Bedeutungsschwer wird das auch am Ende des Buches angemerkt. Und knapp zwei Jahre lang, von der Toskana bis nach Wien wird auch Pegasus ziemlich müdgeritten.

Zur Stadt Lucca heißt es da zum Beispiel: „du ewig herbstzeitlose du / dein Schulterblatt an / meinen mund zu wünschen / bleibt unerfüllbares begehren / als aussicht vom hotelfen- ster / palazzo guinigi mit einem hüt aus eichen / zur selbstvergessenheit verbissen / in verrocanoroter mahne / ist lüft um dich kein medium / für dehnbar tönende stunden / und schleierhafte lähmung / vereitelt jeden ausbruchplan / raubst wortbefangen mir / selbst noch den mut zu tränen.“ Ja, wortbefangen sind Bankiers poetologischen Erkundungen allemal, freilich aber im Sinne des nur Gesuchten und herbeigezwungenen Ausdrucks.

Die meisten seiner Reisegedichte sind halbromantische Hervorbringungen, von halber Modernität wie von halber Konkretheit. Sentimental zumeist und attributüberfrachtet, von unnötigen Partizipialkonstruktionen durchzogen zeugen sie von einer gelegentlich fast peinlichen Anfängerschaft, die auf nichts Gutes hoffen läßt. Noch dazu hat sich der Autor von diversen, oft evidenten Vorbildern bisher nicht zu retten, sprich freizuschreiben vermocht. Die Bachmann oder auch Peter Hüchel können da schon einmal zu Ehren kommen, wenn er etwa im Opus „krems a. d. donau“ vermerkt: „füch- sin du / unter der / Schwindsucht / des sichelmondes.“ Genug, möchte man dem Verfasser da zurufen. So jedenfalls reist man schon lange nicht mehr beziehungsweise überhaupt nicht durch das Land der Sprache.

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