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Unerträgliche Welt

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AN DER BAUMGRENZE von Thomas Bernhard, Residenzverlag Salzburg. 94 Seiten. S 69.—.

Die Kühle und Beherrschtheit der Prosa Thomas Bernhards gibt seiner Theorie der Entfremdung des Intellektuellen in der Gegenwart, deren Krankheitssymptom die Unfähigkeit zur Anarchie ist, jene morbide Eleganz, jene Gelassenheit im Angesicht des Untergangs, die schon seit jeher ein Wesenszug österreichischer Literatur war. Das zweite Merkmal, nämlich der Hang zum Isolationismus verbindet Bernhard abermals mit den ersten Repräsentanten österreichischer Prosa, die immer ein vom üblichen Literaturbetrieb eher losgelöstes Dasein führten. Thomas Bernhard (geb. 1931), wohnhaft in Ohlsdorf in Oberösterreich, wurde vor allem durch seine Romane „Frost“ und „Verstörung“ berühmt, für die er 1968 mit dem österreichischen Staatspreis und dem Anton-Wildgans-Preis ausgezeichnet wurde. Die Erzählungen und Romane Berhards spielen in der abgeschlossenen Atmosphäre alpenländischer Dörfer oder Flecken, wie überhaupt — ein Phänomen, das einer eigenen Untersuchung wert wäre — die Großstadt aus der Literatur zu verschwinden scheint zugunsten jenes zauberbergartigen Areals von Kranken, Kretins und Hoffnungslosen, deren Los das Gefangensein, deren einzige Erklärung für das Leben etwa so lautet, wie sie Bernhard am Schluß seiner Prosaerzählung „Un-genach“ formuliert: „Im Grunde besteht die Welt, von wo wir sie auch anschaun, aus Unerträglich-keit. Immer unerträglicher ist uns die Welt. Daß wir das Unerträgliche aushalten, ist die lebenslängliche Qual und Schmerzbefähigung jedes einzelnen, ein paar ironische Elemente in ihm sind es, ein irrationaler Idiotismus, alles andere ist .Verleumdung'.“

Diese Grundstimmung bleibt auch in den nun im Residenz-Verlag erschienenen Erzählungen erhalten und findet Resonanz, wenn man etwa Handkes Enthusiasmierung glauben darf, mit der er Bernhards „Verstörung“ quittiert. Anton Lehmden illustriert den Text mit düsterer Phantasie. Alle drei Erzählungen sind an den Randschichten des Daseins angesiedelt „an der Baumgrenze“ des Lebens, wo der Mensch als Abenteurer zwischen letzter Freiheit und Unfreiheit, zwischen Wahnsinn und Leidenschaft, zwischen Tod und Gefangenschaft der Fortschrittswelt schauerlich entgegengrinst.

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