Medizinische Daten in falschen Händen

Werbung
Werbung
Werbung

„Gesellschaftlich bin ich stigmatisiert. Wirtschaftliche Benachteiligungen sind eingetreten. Meine berufliche Karriere ist zerstört worden.“ So lautet die Bilanz einer Tirolerin, deren medizinische Daten in falsche Hände fielen. Ein Burn-out infolge Mobbings führte sie in ein Krankenhaus. Nach einer oberflächlichen Untersuchung diagnostizierte ein Psychologe eine Suchterkrankung – ein Irrtum, wie später in einer deutschen Suchtklinik festgestellt wurde. Doch die falsche Diagnose entwickelte ein fatales Eigenleben: Die Jugendfürsorge schaltete sich ein und wollte der Mutter die Tochter wegnehmen. Und auf dunklen Wegen erfuhr die Betriebsärztin der Firma, in der die Frau arbeitete, von der angeblichen Suchterkrankung, woraufhin der Arbeitgeber alles unternahm, um die Frau loszuwerden.

Nachteile am Arbeitsmarkt?

Noch sind Vorfälle wie dieser, den der auf Medizinrecht spezialisierte Anwalt Markus Lechner berichtet, Einzelfälle. „Wenn medizinische Informationen erst einmal auf Knopfdruck verfügbar sind, werden derartige Geschichten öfters passieren“, ist Christian Euler, Präsident des Österreichischen Hausärzteverbandes, überzeugt. Ärzte gehören neben Datenschützern zu jenen, die am lautesten vor einem System wie der Elektronischen Gesundheitsakte ELGA warnen.

Arbeitgeber könnten sich Einblick in die medizinischen Daten von Jobbewerbern verschaffen. Privatversicherungen könnten etwaige Vorerkrankungen als Vorwand benutzen, um teure Versicherte loszuwerden. So lauten nur zwei der Befürchtungen, die vorgebracht werden. „Die Liste der Medikamente, die jemand zu sich nimmt, verrät intimste Details“, weiß Euler. Wenn das elektronische Rezept – als erste Stufe von ELGA – wie geplant im nächsten Jahr kommt, dann können nicht nur die zur Verschwiegenheit verpflichteten Ärzte, sondern auch Angestellte in einer Apotheke Einsicht in die Medikationsliste eines Kunden nehmen. „Jeder sechste US-Bürger verweigert medizinisch notwendige Tests, weil er dadurch Nachteile am Arbeitsmarkt befürchtet“, unterstreicht der Wiener Allgemeinmediziner und Menschenrechtsaktivist Hans-Joachim Fuchs. (Michael Kraßnitzer)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung