Pausen zwischen den Phrasen

Werbung
Werbung
Werbung

Ödön von Horváths "Glaube, Liebe, Hoffnung" ist die derzeit interessanteste Produktion des Volkstheaters.

Zwar sollte kein seriöser Kritiker prophezeien, was bleiben wird, doch: Solange es auf der Welt ungerecht zugeht, wird Horváth gespielt werden. Glaube Liebe Hoffnung ist am Volkstheater zu sehen - und derzeit die interessanteste Produktion dieses Hauses. Die Geschichte rund um den sozialen Abstieg des Mädchens Elisabeth beruht auf Tatsachen, die jederzeit und überall wieder passieren könnten. Zusammen mit dem Gerichtssaalberichterstatter Lukas Kristl hat Horváth einen Totentanz in fünf Bildern entwickelt, der die bestialische Unordnung als Reaktion auf eine bestialische Ordnung darstellt.

Der niederländische Regisseur Antoine Uitdehaag konzentriert sich in seiner Interpretation auf die berühmte Horváth'sche Pause. Zwischen den inhaltsleeren Phrasen, die Horváth als Gemeinplätze der Dummheit und Borniertheit entlarvt, herrscht eiskaltes Schweigen.

In vielen starken Szenen überzeugt das Konzept, etwa wenn Elisabeth (Patrycia Ziolkowska) bei der Gewerbetreibenden Inge Prantl (Vera Borek) um ihre Redlichkeit kämpft, während die Frau Amtsgerichtsrat (Beatrice Frey) sensationslüstern die Szene kommentiert - "Mich geht's ja nichts an, aber …". Vor lauter Konzept verliert die Inszenierung aber an Spannkraft und wirkt gegen Ende oft holzschnittartig.

Der Reigen des Abstiegs beginnt im Leichenschauhaus. Im Zentrum der Bühne: ein zugedeckter Körper. Ein "Fräulein" aus Brünn, dem zumindest nach seinem Tod noch ein wenig Rache gelingt, da sich der Oberpräparator (Gerd Rigauer) an ihr infiziert und daran stirbt. Die Inszenierung schließt mit dem gleichen Bild: nur ist es am Ende Elisabeth, deren Leiche ins Zentrum rückt. Uitdehaag setzt auf eine schlichte Bühne, in die Tom Schenk ein kleines Häuschen stellt, das sämtliche Innenräume markiert. Der lila Hintergrund erzeugt eine ständige Nacht-Stimmung. In dieser morbiden Atmosphäre strahlt Uitdehaags Protagonistin umso mehr.

Patrycia Ziolkowska ist erstmals in Wien zu sehen und belebt das Volkstheater ungemein. Ihre Elisabeth ist eine zarte, lebendige Frau, deren Verhängnis es ist, die Menschen beim Wort zu nehmen. Bis zum (beinah) missglückten Selbstmord hält sie sich daran, "nur den Kopf nicht hängen [zu] lassen". Die weißen Tauben - die der Präparator (wunderbar selbstmitleidig: Rainer Frieb) zu Beginn füttert - fliegen über die Köpfe des Publikums. Ein Sinnbild, das die Trauer über die mangelnde Perfektion auf Erden vergessen machen lassen soll - und zum Üben von Toleranz auffordert. Möge die Übung gelingen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung