Politisch - ohne zu moralisieren

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Bei BAWAG Contemporary ist die erste große Einzelausstellung der Foto- und Videokünstlerin Heidrun Holzfeind in Wien zu sehen. Holzfeinds Arbeiten gehen unter die Haut, sie sind sachlich und aufklärerisch - und erzählen zugleich berührende Geschichten.

Heidrun Holzfeind hat in ihrer bisherigen Laufbahn alles richtig gemacht. Um sich im heimischen Kunstgeschehen in die vordersten Reihen zu katapultieren, muss man nicht nur eine konsequente Linie verfolgen und unverkennbare Werke schaffen. Auslandsaufenthalte nach dem Studium, insbesondere in den USA, und internationale Orientierung gehören genauso zu einem erfolgreichen künstlerischen Weg wie eine formal und inhaltlich komplexe Arbeit.

Nicht zufällig gehört Holzfeind also zu den Shootingstars des letzten Jahres. Nach ihrer Rückkehr aus New York, wo sie fünfzehn Jahre lebte, hat die 1972 in Lienz geborene Künstlerin im Vorjahr gleich zwei große Kunstpreise abgeräumt: den Camera Austria-Preis für zeitgenössische Fotografie und den neugeschaffenen Preis für Gegenwartskunst der Secession Wien.

Am Rande der Gesellschaft

Mit "Strictly Private“ zeigt die BAWAG Contemporary jetzt die erste große Einzelausstellung Holzfeinds in Wien. Sichtbar wird dabei, warum Holzfeinds Ansatz derzeit auf so viel Interesse stößt. Die Video- und Fotokünstlerin bewegt sich mit ihren sozialkritischen wie ästhetisch vielschichtigen Projekten an der Grenze von Dokumentarischem und Fiktivem. Und sie macht politische Kunst, ohne zu moralisieren, zu belehren.

In dem Video "The Romanians“ aus dem Jahr 2002 schildert Holzfeind die Geschichte eines 1990 vor dem Ceausescu-Regime nach Österreich geflohenen Mannes und seiner Frau. Das Video verschränkt Interviewszenen, aufgenommen in der neuen österreichischen Heimat Kötschach-Mauthen, mit Home-Videos, die das Paar während des Urlaubs in seiner alten Heimat Rumänien drehte. Ein obdachloser New Yorker Schriftsteller und Sänger steht hingegen im Zentrum von "The Mystery of God Revealed“ (2004). Holzfeind hat den ehemaligen Sekretär einer angesehenen Kanzlei, der seinen Job aufgab, um an einer Bibel-Interpretation zu schreiben und infolgedessen auf der Straße landete, über Jahre begleitet - und verleiht ihm in ihrer Arbeit mittels Interviews, Liedausschnitten und zitierten Textpassagen aus seinem unveröffentlichten Buch eine Stimme. Nicht minder gesellschafts- und konsumkritisch ist "Exposed“ (2005) - ein feinfühliges filmisches Porträt einer jungen Tänzerin und Performancekünstlerin, die wegen der Zivilisationskrankheit "Multiple Chemical Sensitivity“ vollkommen isoliert in einem Haus in Massachusetts lebt.

Die aktuelle Schau in der BAWAG Contemporary konzentriert sich auf vier Projekte Holzfeinds, die alle eines gemeinsam haben: Sie kreisen um das Verhältnis zwischen gebauter Umwelt, meist in Form modernistischer Architektur, und den persönlichen Schicksalen und Lebensentwürfen der Bewohner. So konfrontiert Holzfeind in "CU (Mexico City, August 2006)“ und "Mexiko 68“ aus dem Jahr 2007 Architekturaufnahmen der Ciudad Universitaria, einer der Ikonen der modernen Architektur Lateinamerikas, mit Videointerviews von Aktivisten der 68er-Bewegung. Einprägsam sind auch Video und Fotoserie "Friday Market“ (2008), aufgenommen auf einem Markt in Kairo, der einmal wöchentlich auf einem aufgelassenen Eisenbahngelände stattfindet. Da Holzfeind die Fotos auch in Ägypten entwickeln ließ, wo alte Chemikalien verwendet werden, wirken die Bilder des lebendig-chaotischen Treibens wie Zeugnisse einer längst vergangenen Epoche und sind doch ganz aktuell.

Präzise Bezugnahme zum Ausstellungsort

Oft kann die heute so in Mode geratene "künstlerische Forschung“ wenig überzeugen, wird weder wissenschaftlichen noch künstlerischen Ansprüchen gerecht. Nicht so bei Holzfeind, die anlässlich der BAWAG-Schau einen in Vergessenheit geratenen jüdischen Architekten wieder ausgrub, der 1938 von Wien nach New York auswanderte. Gesprächsausschnitte mit der Nichte, ein eigens für die Präsentation gewebter Teppich, eine Diainstallation und Fotografien geben Einblick in Leben und Werk von Ernst Schwadron (1898-1979). Dass Schwadron der Sohn einer Bau- und Keramikdynastie war, die ihren Schauraum in den jetzigen Ausstellungsräumen der BAWAG Contemporary hatte, spiegelt wider, wie präzis Holzfeind auf die jeweiligen Orte und deren private wie politische Geschichten eingeht.

Heidrun Holzfeind, Strictly Private

BAWAG Contemporary

Franz-Josefs-Kai 3, 1010 Wien

bis 1. April, täglich 14-20 Uhr

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