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Das Wiener Atelier Augarten zeigt eine Ausstellung über den österreichischen Experimentalfilmer Kurt Kren.

Zitternde Äste, dunkle Baumkronen im Gegenlicht, ein weißlicher Himmel. Die Bilder entschwinden immer wieder durch ruckartiges Anhalten und abrupte Überlappungen. "Bäume im Herbst" ist ein ungemein poetischer Film, zugleich wird durch den experimentellen Charakter jegliche Romantisierung der Natur unterbunden. Durch die Nahaufnahme und die unruhige Kameraeinstellung wirken die Äste wie abstrakte Linien und die Strukturen der Baumkronen treten in den Vordergrund. Der 1960 entstandene Schwarzweißfilm gehört zu den bedeutendsten Dokumenten österreichischer Filmgeschichte. Zu sehen ist er derzeit in einer monografischen Schau über den österreichischen Experimentalfilmer Kurt Kren. Er zählt zu den wichtigsten Vertretern der internationalen Filmavantgarde, gilt als Wegbereiter des strukturellen Films. Bekannte Künstler und Regisseure wie Wim Wenders, Mike Kelley, Paul McCarthy und Christoph Schlingensief haben sich von Krens radikalem Umgang mit dem Medium Film und seiner stakkatoartigen Schwarzweißtechnik inspirieren lassen.

Vergessen, wieder entdeckt

Die Ausstellung der Österreichischen Galerie im Atelier Augarten ist als Beitrag zur Aufarbeitung österreichischer Film-und Kunstgeschichte nach 1945 nicht hoch genug zu schätzen. Denn Kurt Krens Werk genießt jenseits von Fachkreisen nach wie vor viel zu wenig Aufmerksamkeit.

Dass Kurt Kren hierzulande lange Zeit in Vergessenheit geraten war und erst in den 1990er Jahren wieder entdeckt wurde, hängt auch mit dessen abenteuerlicher Biografie zusammen. Als Kind einer halbjüdischen Familie 1929 in Wien geboren, verbringt er den Großteil seiner Kindheit bei Pflegeltern in Rotterdam. Erst 1947 kann Kren nach Wien zurückkehren, wo er an der Nationalbank zu arbeiten beginnt, zugleich aber Konzepte für Filme in Form von detaillierten Partituren entwirft. Mitte der 1950er Jahre entstehen seine ersten Filme. 1956 verwendet Kurt Kren erstmals in "Das Walk" die Kurzschnitttechnik, die später zu seinem Markenzeichen wird. Kren plant seine Filme minutiös - alles wird in Aufzeichnungen auf Millimeterpapier festgelegt.

Berühmt-berüchtigt wird Kurt Kren durch seine Zusammenarbeit mit den Wiener Aktionisten. Der renommierte Ex-Aktionist und heutige Bild-Dichter Günter Brus führt seine künstlerischen Anfänge auf den Einfluss des Filmemachers zurück: "Den Beginn meiner aktionistischen Tätigkeit verdanke ich Kurt Kren. Er hat mich zu meiner ersten Aktion motiviert, woraus sich eine innige Freundschaft entwickelte." Gleichzeitig mit den Aktionisten kehrt Kurt Kren 1969 Österreich den Rücken. Er zieht zunächst nach Deutschland, später nach Amerika. Während in den usa immer wieder Kren-Retrospektiven organisiert werden, hält sich der Filmemacher jahrelang durch Gelegenheitsjobs und die Arbeit als Museumswärter über Wasser. Erst durch die Initiative von Künstlerfreunden und mit staatlicher Hilfe gelingt Kurt Kren 1989 die Rückkehr nach Österreich, wo er 1998, zwei Jahre nach einer großen Personale in der Secession, stirbt. Kren hinterlässt fünfzig faszinierende Kurzfilme - zusammen nicht mehr als drei Stunden Laufzeit.

Einblicke in Krens Denken

Die Schau im Atelier Augarten ist angenehm zurückhaltend gestaltet. Die Konzentration auf das Frühwerk von Kren ermöglicht die Auseinandersetzung mit wenigen Exponaten - auch wenn man am Ende des Rundgangs bedauert, den künstlerischen Weg Krens nach dem Jahr 1968 nicht weiterverfolgen zu können. Neben dem zentralen "Kino"-Raum, in dem ausgewählte Filme zu sehen sind, geben Partituren, Skizzen und Fotos Einblick in die Denkweise des Avantgardefilmers.

Die Ausstellung endet mit dem unter die Haut gehenden Film "Schatzi" (1968). Hier hat Kren die nicht aufgearbeitete Nazizeit Österreichs thematisiert: Zu Beginn unkenntliche graue Flächen. Langsam formt sich aus dem Unbestimmten eine Figur. Es ist ein Offizier in ss-Uniform, der neben einem Berg nackter Leichen Wache hält. Bevor Genaueres zu erkennen ist, wird das Bild wieder verschwommen. Ohne Handlung und ohne Ton gelingt Kren mit diesem "bewegten Bild" ein Statement zu den Gräueltaten des Nationalsozialismus, wie es überzeugender kaum möglich ist.

Kurt Kren

Das Unbehagen am Film

Atelier Augarten

Zentrum für zeitgenössische Kunst der Österreichischen Galerie Belvedere

Scherzergasse 1a, 1020 Wien

www.atelier-augarten.at

Bis 13.8. Di-So 10-18 Uhr

Katalog hg. v. Thomas Trummer e 19,80

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