Schleichende Vernichtung

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Wenn am Ende von Umberto Ecos Buch "Der Name der Rose" (oder im gleichnamigen Film) die riesige Bibliothek in Flammen aufgeht, läuft es jedem Bildungsbürger kalt den Rücken hinab: Welche Kultur, welches Wissen, welche Geschichte gehen hier für immer verloren! Die abrupte Vernichtung kultureller Information durch solche Katastrophen, wie sie auch der Brand der Bibliothek von Alexandria eine war, ist heute einer schleichenden Vernichtung gewichen, die sich beim heutigen Stand der Technik in nicht allzulanger Zeit nicht minder katastrophal auswirken könnte.

Heutzutage wird das Buch als Speichermedium immer mehr von der CD-Rom verdrängt. Auf den silbernen Scheiben lassen sich große Datenmengen nicht nur auf kleinem Raum speichern, sondern auch schnell und fehlerlos kopieren. Ein Riesenfortschritt - in der Theorie. Denn die Silberlinge haben einen gravierenden Nachteil: Nach etwa zehn Jahren, heißt es, treten erste Datenverluste auf. Im Klartext: nach spätestens ein paar Jahrzehnten ist mit dem Ding nichts mehr anzufangen. Bücher, die vom Schimmel befallen sind, aus dem Leim gehen oder denen eine Seite fehlt, können trotzdem noch gelesen werden, die Information einer defekten CD-Rom ist nur noch mit Spezialsoftware zugänglich.

Für Bibliotheken heißt das: eigentlich müsste der Inhalt jeder CD-Rom alle zehn Jahre auf eine neue CD-Rom kopiert werden - fraglich, ob sich jede Institution diesen Aufwand leisten kann. Möglicherweise werden nur die wichtigsten Daten Jahrzehnt für Jahrzehnt kopiert, die als weniger wichtig erachteten nicht. Die Folge: sie gehen verloren.

Für Privatpersonen ist der schleichende CD-Rom-Verfall noch fataler. Wer nicht den für einen einzelnen enormen Kopieraufwand bewältigt, dessen CD-Rom-Bibliothek ist nach 20, 30 Jahren vernichtet. Das selbe gilt natürlich auch für Musik-CDs: Haydns "Rinaldo" mit David Daniels und Cecilia Bartoli oder das neueste Album von "Oasis" sind nach einem halben Menschenleben nur noch Schrott. Ach, wird dann so mancher seufzen, wär' ich nur bei der guten alten Vinyl-Schallplatte geblieben ...

Aber vielleicht ist der Typus des Bildungsbürgers, der Bibliotheken anlegt und sich ein Musikarchiv anlegt, dann ohnehin ausgestorben.

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