Sklavenhandel und Familiengeschichte

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Edward Ball demontiert den Mythos seiner Familie als eine der guten Herren, die ihre Sklaven nicht mißhandelten.

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Edward Ball demontiert den Mythos seiner Familie als eine der guten Herren, die ihre Sklaven nicht mißhandelten.

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Während der genau einhundertsiebenundsechzig Jahre von 1698 bis 1865, in denen die Familie im Geschäft war, erwarb sie durch Kauf oder Fortpflanzung, insgesamt fast viertausend schwarze Sklaven" schreibt der Autor Edward Ball zu Beginn seines Werkes "Die Plantagen am Cooper River". Edward Balls Familie gehörte seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert bis zum amerikanischen Bürgerkrieg zu den einflußreichsten Plantagenbesitzern in South Carolina. Die ausführliche und erstaunlich gut erhaltene Familienchronik umfaßt die Reise des ersten Ball nach Amerika, den Aufbau der ersten Plantagen, die Geschäftsbücher ihrer über 20 Reisplantagen, die Geschichte einer Dynastie. Seit der Jahrhundertwende besitzen die Balls keine Plantagen mehr, ihr Name ist in Charlestown und Umgebung trotz allem bekannt und geachtet. So sind die ersten Reaktionen, als der Autor kritische Fragen zu stellen beginnt, denn auch größtenteils negativ. Er will die Geschichten erfahren, die nicht niedergeschrieben wurden, das Leben auf den Plantagen ergründen, wie es wirklich gewesen sein mag. Wie waren die Beziehungen zwischen den schwarzen Sklaven und ihren Besitzern? Woher kamen sie und wohin gingen sie nach dem Bürgerkrieg? Ball erhebt keinen Anspruch auf Objektivität. Zu eng ist er mit den Ereignissen, mit den Antworten auf seine Fragen verbunden. Die Selbsterforschung des Autors auf seiner Suche nach der Wahrheit fesselt. Die enge biographische Verbundenheit mit der Geschichte, die erzählt wird, belebt das Werk.

1959 in Savannah geboren, erlebte der Autor als Kind die Rassenkämpfe in den sechziger Jahren. Auch seine Familiengeschichte lernte er schon als Kind zu achten. Seine kritische Auseinandersetzung mit ihr, die Ergebnisse seiner Nachforschungen konnte seine Familie nur schwer verstehen. "Es gibt fünf Dinge, über die wir Balls nicht reden" pflegte der Vater zu sagen, "Religion, Sex, Tod, Geld und die Neger." Nun beginnt der Sohn aber nach genau diesen Dingen zu fragen. In jahrelangen Recherchen macht er Nachfahren der Ball'schen Sklaven ausfindig und findet bei ihnen eine Seite der Sklaverei, die in keiner Familienchronik aufscheint. Nur selten trifft er noch direkte Nachfahren, doch die Geschichten vom Leben auf den Plantagen wurden von Generation zu Generation weitergegeben. Durch die Verknüpfung der mündlichen Überlieferung der Familien mit den dürftigen Aufzeichnungen der Geschäftsbücher, bei denen es sich manchmal nur um Notizen über Kauf und Verkauf handelt, läßt sich in einigen Fällen ein weit zurückreichender Familienstammbaum erstellen.

Auch das Leben der Schwarzen führt Edward Ball dem Leser aus einem völlig neuen Blickwinkel vor Augen. Der Mythos der Balls als gute Herren, die ihre Sklaven weder mißhandelten noch beliebig verkauften, wird nach und nach demontiert. Erst der Bürgerkrieg im letzten Jahrhundert brachte für die schwarzen Zwangsarbeiter die große Wende. Für die Plantagenbesitzer endete eine fast zweihundertjährige Herrschaft.

Der Autor schreibt eine Geschichte, die sich mit der grausamen Vergangenheit der Südstaaten auseinandersetzt. Jede der Familien, die er aufsucht, erzählt ihre eigene Geschichte. Dabei wird nicht nur die Sklaverei in der Vergangenheit bewältigt, auch Amerikas Rassenproblem unseres Jahrhunderts wird thematisiert. Jede der persönlichen Geschichten bildet einen Teil der amerikanischen Geschichte, die bis zur jüngsten Gegenwart reicht. Dabei wird deutlich, daß mit der Abschaffung der Sklaverei die Probleme zwischen Schwarzen und Weißen noch lange nicht überwunden wurden. Aus diesen vielen Lebensgeschichten ergibt sich ein Mikrokosmos der Gesellschaft und eine Perspektive, die durch ihre persönliche Note kein Geschichtsbuch bieten könnte.

Jedes Schicksal ist ein Teil des Ganzen. Edward Ball beschäftigt sich nicht nur mit der Geschichte der letzten 300 Jahre, sondern er stellt eine Gesellschaft dar, die sich ihrer Vergangenheit noch immer verschließt. Ohne diese Bewältigung aber gibt es kaum Hoffnung auf ein tatsächliches Umdenken.

Die Plantagen am Cooper River Eine Südstaaten-Dynastie und ihre Sklaven. Von Edward Ball S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 1999, 559 Seiten, geb., öS 384,- /e 27,90.

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