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Kleists "Penthesilea" bei den Salzburger Festspielen.

Penthesilea, tanz! In den Kampf, in den Rausch der Kleistschen Sprache werden sie sich hineinwirbeln, die fünf Schauspieler des Hamburger Thalia Theaters. Doch zuvor wärmen sie sich theatralisch auf, strecken und dehnen sich durch, bereiten sich auf das Spiel vor, das Helmut Mooshammer gleich einem Schauspiellehrer einleitet. Mit einem typischen Regietisch ausgestattet skizziert er dem Publikum, worum es im Folgenden gehen wird, das Saallicht bleibt vorerst an.

Wir sind auf einer leeren Probebühne mit ein paar Plastikstühlen, auf dem vier junge Schauspieler sitzen. Spielgeil klopfen sie sich in den wilden Rhythmus eines Soldatenheers, auf das Regisseur Stephan Kimmig wohlweislich verzichtet hat. Auf dieser Studiobühne von Katja Haß befindet sich ein schäbiger Lichtschacht, in dem sich Penthesilea an die Wände wirft und wie ein wildgewordenes Pferd schnaubend in das Spiel hineindonnert.

Alles ein Spiel

Kimmig simuliert eine Schauspielschul-Situation. Mooshammer coacht sie, stellt Materialien zum Nachlesen bereit, bringt Wasserkannen zur Abkühlung der erhitzten Körper, die sich in den Spielkampf tanzen. In durchnässten Kostümen (Andrea Schraad) lädt sich die Szene erotisch auf, bis hin zum Akt der Begegnung. Bis dahin sitzt der Spielleiter in der Ecke des Boxringes, mit Handtüchern bewaffnet trocknet er die schweißnassen Häupter und motiviert die Schauspieler, mit diesem Work-in-Progress weiterzumachen.

Das Ensemble ist streng nach Rollenfächern eingerichtet: Alexander Simon ist ein schöner Mann, also spielt er den Achilles, den jugendlichen Helden. Michael Weber ist der kleine Komische daneben; er spielt den Griechenkönig Odysseus wie einen Sosias oder einen Puck, feixt im Hintergrund und kriegt regelmäßig von Achilles eine Kopfnuss. Helmut Mooshammer ist auch in der Rolle des Diomedes zu sehen, ein eitler König. Die Herren drücken drauf, sie machen Theater, sie probieren sich im Gebrüll aus, auch sie sind eitel. Das wäre nicht notwendig, wie die beiden großartigen Damen zeigen.

Mit Susanne Wolff hat Kimmig eine Penthesilea besetzt, die sich in die Reihe seiner brüchig-kraftvollen Frauen fügt. Ihr gelingt die Spannweite zwischen königlichem Stolz und unschuldiger Klarheit. Wolffs Stimme schneidet durch den Raum des Salzburger Landestheaters. Eine Modulationskünstlerin, deren Stimme die Aufmerksamkeit der Zuschauer wie ein Taktstock führt. An ihrer Seite ist Claudia Renner die Seelenfreundin Prothoe. Renner überzeugt als kontrollierte Strategin. Erst gegen Ende, als sie allein zum Frauenstaat zurückkehrt, wird klar: zärtlich liebt sie ihre Königin.

Ohne Kampf und Blut

Überraschend gelingt es Kimmig, auf große Kampfszenen und Blutrausch zu verzichten. Minimalistisch erzählen die Körper die moderne Tragödie der inneren Abgespaltenheit Penthesileas. Zwei Adler, die umeinander kreisen, sind Achilles und Penthesilea. Als sie einander in ihrer Leidenschaft erkennen, breiten sich ihre Arme zum Fliegen aus, und die durchnässten Ärmel ihrer Kostüme schimmern wie bunte Federn. Zwei Raubtiere, die einander umschleichen, sich beim Kuss unbeholfen in die Lippen beißen. "Küsse wie Bisse, Bisse wie Küsse, das reimt sich", erkennt sich die Amazonenkönigin nach ihrer blutrünstigen Tat selbst. Ihr Mord ist ein Liebestanz, ein Fallen-Lassen und Gegenseitig-Festhalten, ein Akt, der ihr innerstes Territorium bloßlegt - mehr als es jede Schlachtszene bewerkstelligen könnte.

Kampf mit Kleists Versen

Kimmig hat das Drama stark eingestrichen. Doch Kleists hochpoetischer Text zeigt sich in der Salzburger Strichfassung noch einmal neu mit all seinen Tücken als besondere Herausforderung. Die Schauspieler skandieren und versuchen bewusst, den Vers zu brechen. Der Kampf mit dem Versmaß ist deutlich und ist leider ungelöst. Kimmig lenkt mit theatralen Brüchen von den Unsicherheiten ab. Er tut alles, um nicht zur Identifikation einzuladen. Böse Kritiker meinten, aus Angst vor dem Text. Besonders schwer hat es sich Stephan Kimmig diesmal nicht gemacht. Der Erfolg des Abends gehört in erster Linie der schauspielerischen Leistung von Susanne Wolff.

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