Tödliches Missgeschick

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"Heaven" hüllt sich in glänzende Bildästhetik, mattiert durch eine fragwürdige Dramaturgie.

Schon ein altes Sprichwort von Marc Chagall besagt, dass in der Kunst, wie im Leben, alles möglich ist, wenn es auf Liebe gründet. Ein Hauch dieser lyrischen Weisheit umhüllt Tom Tykwers neuen Film "Heaven", der seine Premiere kürzlich bei den Filmfestspielen von Berlin feierte: Der Polizeiübersetzer Filippo (Giovanni Ribisi) verliebt sich in die Attentäterin Philippa (Cate Blanchett), die eigentlich einen als Geschäftsmann getarnten Drogendealer umbringen wollte, aber durch ein fatales Missgeschick vier unschuldige Menschen zu Todesopfern einer Zeitbombe macht.

Während die verhaftete Philippa ihre Tat zutiefst bereut und am Boden zerstört ist - wollte sie sich doch am Drahtzieher rächen, der ihren Mann und viele Schüler auf dem Gewissen hatte, nicht aber Unschuldige töten - beharrt die Polizei aus undurchsichtigen Gründen auf einem politischen Motiv. Nur Filippo, der sich von der kühlen Schönheit magisch angezogen fühlt, schenkt ihr Glauben und schmiedet einen Plan, der ihr die Freiheit zurückgeben soll ...

"Heaven" ist die erste internationale Produktion des Deutschen Tom Tykwer ("Lola rennt", "Der Krieger und die Kaiserin"), der die Dreieckskomponenten Schuld, Vergebung und Erlösung zu einem eher pseudospirituellen Ganzen verbindet. Inhaltlich knüpft der Film an Tykwers bisherige "Kinoperlen" an, jedoch fehlt "Heaven" jene Dynamik, die man von diesem Regisseur gewohnt ist. Vielleicht liegt es an der Abwesenheit des Schauspielwunders Franka Potente, wahrscheinlicher aber am Drehbuch, das sich gegen Ende über allen Realismus erhebt und in einer unglaubwürdigen Hubschrauber-Entführungsszene seinen Höhepunkt findet. Das Buch lässt Fragen offen und verwirrt dadurch sein Publikum. Trotz filmdramaturgischer Ungereimtheiten muss aber auch betont werden, dass diese komplexe Verfilmung eines Drehbuches des 1996 verstorbenen Krzysztof Kieslowski jene Tykwer'sche Bildästhetik besitzt, die in Innovation und Qualität die Unverwechselbarkeit des Regisseurs immer mehr festigt.

Für den 1965 im Wuppertal geborenen Tom Tykwer, der sich das Reich der Bilder nach dem Vorbild der französischen Nouvelle Vague-Regisseure als Autodidakt eroberte, ist dieser Film in mehrfacher Hinsicht eine Premiere. Einerseits verfilmt er zum ersten Mal einen Stoff, den er nicht selbst geschrieben hat, andererseits dreht er nicht in seiner Muttersprache: "Heaven" wurde nämlich sowohl in Deutschland als auch Italien in englischer und italienischer Sprache produziert. Der freiwillig große Arbeitsaufwand - insgesamt verbrachte das Team zehn Monate lang jeden Tag im Schneideraum - erklärt sich weniger durch Tykwers Kinopassion, als vielmehr durch seine Faszination gegenüber Kieslowskis Filmscript.

Abgesehen von der altväterlichen Ernsthaftigkeit, mit der er am Schluss seine eigene Geschichte zerstört, hat sich dieser physisch und psychische Krafteinsatz auch ausgezahlt.

I/D 2000. Regie: Tom Tykwer.

Mit Cate Blanchett und Giovanni Ribisi. 95 Min.

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