Tödliche Logik des Kapitals

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"The International": Deutschlands Regie-Star Tom Tykwer durfte mit seinem neuen Thriller die Berlinale eröffnen. Ein Film, unvermutet politisch aktuell.

Tom Tykwer, Deutschlands Filmgenie, möchte großes Kino machen. Mit "The International" eröffnete er vorvergangenen Donnerstag die 59. Filmfestspiele von Berlin. Damit trifft er nicht nur den Geschmack von Festivaldirektor Dieter Kosslick, der eine Rückbesinnung auf die politischen Wurzeln der Berlinale propagiert - mit den Themenfeldern Politik und Finanz zeigt auch dieser Film, wie sehr es im Gebälk des Spätkapitalismus kracht: Die "International Bank of Business and Credit - BBC" finanziert mit den Geldern globaler Todfeinde Kriege und Terroranschläge: An die Hisbollah liefert BBC etwa Billigraketen aus China und an die Israelis das passende Abwehrsystem.

Via Berlin, Mailand und New York nähern sich Interpolagent Louis Salinger (Clive Owen) und die New Yorker Staatsanwältin Eleanor Whitman (Naomi Watts) dem vermeintlichen Zentrum der Verschwörung. Dabei erkennen sie die Verwerfungen des Risikokapitals: Schlägt man der vielköpfigen Finanzschlange ein Haupt ab, ordnen Köpfe aus der zweiten Reihe das Kreditwesen tödlich neu. Sind die "Aufklärer" bereit, ihr Leben sinnlos zu verspielen?

"The International" ist ein Januskopf: Ein Thriller? Kapitalismuskritik? Wenn Regisseur Tykwer sagt, dass das Zusammentreffen seines Films (acht Jahre Vorbereitung) mit der Finanzkrise ein "absurder Zufall" sei, dann kann das nur eine Ablenkung von dem Ärger sein, den er darüber verspüren muss, dass dem Zuseher die Freude einer teilnahmslosen Betrachtung versagt bleibt und dieser ständig genötigt ist, Parallelen zur gegenwärtigen Krise zu ziehen. Darob ist "The International" leider streckenweise formelhaft und hat sich an der Kapitalismuskritik überhoben (die Thematik erklärt Erwin Wagenhofers "Let's Make Money" schlüssiger).

Als Thriller funktioniert der Film aber wunderbar. Tykwer lehnt sich mit "The International" an die Paranoia-Thrillern der 70er-Jahre an, Referenzen sind etwa "Die Drei Tage des Condor" (Sydney Pollack) und "French Connection" (William Friedkin).

Paranoia-Thriller der 70er

Als Interpretationsgrundlage für "The International" bietet sich freilich auch Tykwers Film-Leben an: Nach dem internationalen Durchbruch mit "Lola rennt" hätte der gebürtige Wuppertaler alle Chancen auf ein großes Hollywood-Projekt gehabt. Trotzdem entschied er sich dagegen. 2002 lief "Heaven" (nach einem Drehbuch von Krzysztof Kie´slowski, in dessen Nachfolge er als "Neuer Romantiker" galt) im Wettbewerb der Berlinale - eine hauptsächlich in Italien entstandene deutsch-amerikanische Koproduktion mit Cate Blanchett (zuletzt "Benjamin Button") und Giovanni Ribisi ("Lost in Translation"): Tykwer stürzte danach in eine schöpferische Krise.

Erst durch den Kurzfilm "True" mit Natalie Portman schaffte er es, neue künstlerische Kraft für sein folgendes Prestigeprojekt "Das Parfum" zu tanken. Die Verfilmung von Patrick Süskinds gleichnamigen Roman erhielt zwar nur durchwachsene Kritiken, lockte aber deutlich mehr als fünf Millionen Menschen in die deutschen Kinos. Guten Mutes konnte Tykwer so die Herausforderung eines weiteren großen Films annehmen und drehte diesmal auch in den USA.

Dass er jetzt im Mainstream angekommen ist (obgleich er immer wieder das Wort "Anspruch" in den Mund nimmt), bedeutet zwar einen Verlust fürs Arthouse-Kino, könnte aber dem Zuseher, der gepflegte Unterhaltung schätzt, zur Freude gereichen. "The International" ist manchmal richtig spannend und optisch ziemlich schick.

Was Tom Tykwers Filmkarriere begleitet: Er ist sicher der deutsche Regisseur, auf dessen nächsten Film man am meisten gespannt ist.

The International

USA/D/GB 2009

Regie: Tom Tykwer

Mit Naomi Watts, Clive Owen, Armin Mueller-Stahl. Verleih:

Sony. 118 Min.

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