Unter dem Deckmantel des Umweltschutzes

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In Sierra Leone kämpfen weite Teile der Bevölkerung seit 2010 um ihre Menschenrechte auf Wasser und Nahrung.

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In Sierra Leone kämpfen weite Teile der Bevölkerung seit 2010 um ihre Menschenrechte auf Wasser und Nahrung.

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Man kann nicht behaupten, dass die sozialen Verhältnisse in Sierra Leone jemals ideal waren. Doch seit 2010 werden weite Felder, die einst dem Anbau von Nahrungsmitteln für die lokale Bevölkerung dienten, für den Anbau von Zuckerrohr gebraucht. In diesem Jahr übernahm das Schweizer Energie-Unternehmen Addax Bioenergy große Teile der landwirtschaftlichen Flächen in Sierra Leone für die Herstellung von Biosprit.

"Unter dem Deckmantel der grünen Energien wandte sich Addax damals an die Regierung", berichtet Brigitte Reisenberger von der Menschenrechtsorganisation FIAN (Food First Information and Action Netwirk) Österreich. Das Unternehmen pachtete große Landesteile rund um die Stadt Makeni. Zuckerrohr wurde angebaut, welcher in Ethanol umgewandelt und so als Biosprit - hauptsächlich in Europa - verkauft werden sollte. Zum scheinbar hehren Ziel der Bekämpfung des Klimawandel, und um Bioenergien zu fördern. Für die Bewohner bedeutete die Übernahme riesiger Flächen den Verlust großer Anbaugebiete, die für ihre Nahrungsmittelversorgung essentiell waren.

Das zu 52 Prozent von Entwicklungsbanken - auch von einer österreichischen - geförderte Projekt muss zwar von der niederländischen Entwicklungsbank (FMO) angegebene Umwelt-, Sozial- und Gesundheitsstandards einhalten, doch diese sind ausreichend, um das Recht der Einwohner auf Wasser und Nahrung zu sichern. "Viele Untersuchungen zeigten, dass das Menschenrecht auf Wasser der lokalen Bevölkerung verletzt wird", erklärt Reisenberger. Zuckerrohr brauche große Wassermengen, weshalb sich das Unternehmen den Zugang zum Fluss Rokel sicherte. Bereits vor dem Biosprit-Projekt war die Wasserversorgung der Bevölkerung prekär. "Nun muss die Bevölkerung zusätzlich mit einem Unternehmen um ihr Recht auf Wasser konkurrieren", kritisiert Reisenberger. Die Regierung des Landes ließ sich auf einen Pachtvertrag über 50 Jahre ein.

Felder der heimischen Familien glitten so für Generationen in die Hände der ausländischen Firma. Trotzdem waren manche Bauern den Investoren nicht abgeneigt. "Die Schweizer versprachen Unterstützung für die lokale Landwirtschaft. Anfangs gab es viele kleine Jobs für die Bewohner, die ihren Grund verloren hatten", berichtet Reisenberger. "Doch allmählich wurden die Jobs immer weniger."

Einst selbstständig, heute abhängig

Fünf Jahre nach Vertragsschluss geriet Addax in finanzielle Schwierigkeiten. Man sprach davon, die Zuckerrohrproduktion "zu vermindern", also die Produktion auf Eis zu legen. "Die Bevölkerung befindet sich nun in einer unsicheren Lage, denn die Felder bleiben weiter in der Hand des Unternehmens, doch die Arbeiten auf den Plantagen werden weniger oder ganz eingestellt", so Reisenberger. Viele Arbeiter seien bereits entlassen worden. Das Unternehmen erbat sich Gedenkzeit - wie Reisenberger vermutet, um nach neuen Investoren oder Käufern zu suchen.

Die Einwohner der betroffenen Gemeinschaften sind aber vom Projekt abhängig. Nicht nur verloren viele ihren Grund und sind nun auf das Einkommen angewiesen, auch fallen mit dem Unternehmens-Aus viele Ausgleichsprojekte für die Bevölkerung weg. So stellte Addax Saatgut oder Traktoren zur Verfügung. Scheitert das Zuckerrohrprojekt, scheitern auch die restlichen Hilfsprojekte. Keine guten Aussichten in einem Land, wo die Landwirtschaft die wichtigste Lebensgrundlage bildet und ein Drittel der Menschen unter Mangelernährung leiden.

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