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Ausstellung aus Istanbul in Wien: Künstlerinnen kommentieren den Tschador.

Manchmal geraten schnelle Zuordnungen schneller unter Druck, als schnell einmal angenommen wurde. In Europa, wo die Freiheit des demokratischen Individuums in einem so großen Ausmaß geschützt ist wie kaum sonst auf der Welt, diskutieren einige Länder, ob man das Tragen des Tschadors in öffentlichen Institutionen wie Universitäten verbieten soll. In der Türkei hingegen, einem Land mit überwiegend islamischer Bevölkerung, grenzt der Versuch der aktuellen Regierung, das Verbot vom Tragen des Tschadors in öffentlichen Institutionen wie Universitäten wieder aufzuheben, an einen Anschlag auf das laizistische Staatsgefüge. Als Beitrag zu diesem Diskussionsprozess in der Türkei veranstaltete die Bilgi Universität in Istanbul eine Ausstellung, die nun auch im project space der Kunsthalle Wien zu sehen ist.

Die Ausstellung in Istanbul stand unter dem Titel "Nicht-Westliches Modernitätsprojekt", die teilnehmenden Kunstschaffenden sind samt und sonders Bewohner des global village, wenngleich mit starken Bezügen zum vorderasiatischen Raum. Daher begegnet der Schleier auch in einer großen Vielfalt, als freiwilliges Bekenntnis oder willkommene Verkleidung ebenso wie als religiöser Zwang oder als Verteidigung individuell empfundener Werte.

Verbergen und entblößen

So versucht Nezaket Ekici, sich in ihrer Videoarbeit eines Tschadors durch eine schnelle Bewegung zu entledigen, was aber immer nur teilweise gelingt. In diesem ständigen Wechsel von Verbergung-Rückzug und Offenheit-Entblößung zeigt sich das Paradoxe am Schleier, dass dasjenige, was dem öffentlichen Blick entzogen werden soll, durch diesen Entzug umso interessanter wird. Die Arbeiten von Parastou Forouhar räumen einmal mit der Vorstellung der Unverfänglichkeit von (orientalischen) Mustern auf, bestehen die Einzelmotive doch aus stilisierten Genitalien oder Schneidewerkzeugen wie Schere oder Messer.

Die subtilen Unterdrückungsmechanismen, die man auf einer sprachlich-abstrahierten Metaebene in vielen Diskursen leicht schönreden kann, tauchen in diesen Dekorationsstoffmustern für Frauen selbst in Verschleierung auf. Offen und klar bezieht die Künstlerin in ihren Hinweisschildern Position. Diese weltweit lesbaren Piktogramme benötigen keine Erklärung: Eine Überholverbotstafel zeigt die Frau, die sich verbotenermaßen in der Überholspur dem Mann gegenüber befindet.

Lange Haare als Schleier

Die Haarskulptur von Mandana Moghaddam thematisiert den kulturellen Zwang für Frauen zum langen Haar als eine andere Form des Schleiers. Samta Benyahia simuliert in einer filmischen Projektion von Rosetten-Motiven auf Fenster und auf Spiegel den Blick der Frau aus dem durch mit derartigen Mustern durchlöcherten Holzwänden separierten Bereich ihrer Behausung.

Shadi Ghadirian lässt die Methode des Schleiers weiterwandern zu Ikons auf dem Computer, die ebenso Identitäten erzeugen wie verbergen, und Shahram Entekhabi überzieht in westlichen Magazinen alle Frauen mit dem schwarzen Filzstift mit einer schützenden Verschleierung, während er den Männern einen Sack über den Kopf stülpt - als Verweis auf die westliche Schleieradaptierung à la Guantanamo.

Fast wie ein Resümee die Arbeit von Samer Barkaoui. Zwei verschleierte Frauen erscheinen auf der Filmfläche wie zu einem Porträtfoto. Nach der Aufnahme tauscht eine der gezeigten Frauen mit jener, die bisher den Auslöser betätigt hat, Platz. Dann löst die dritte Frau jene ab, die eben die Aufnahme gemacht hat. Die Frauen kichern, sie haben den Betrachtern in dieser Endlosschleife ein Schnippchen geschlagen: Das Bild zeigt immer nur zwei verschleierte Frauen.

Mahrem.

Anmerkungen zum Schleier

Kunsthalle Wien project space

Treitlstraße 2, 1040 Wien

Bis 16.3. täglich 16-24 Uhr,

So u. Mo 13-19 Uhr

Katalog: Mahrem. Bati-Di¸si Moderniteler Projesi 1 / Non-Western Modernities Project 1, Istanbul 2007.

28 Seiten, gratis.

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