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Nahrungsmittelkrise, Finanzkrise, Migrationskrise: In "Black Brown White“ nimmt Erwin Wagenhofer das dritte dieser globalen Probleme auf.

Dokumentation oder Fiktion? Erwin Wagenhofer, der Regisseur von "Black Brwon White“, will beides machen. Endlich konnte er seinen ersten Spielfilm realisieren.

Die Furche: Nach zwei Dokumentarfilmen machen Sie nun einen Spielfilm - warum?

Erwin Wagenhofer: Weil ich davor keine Möglichkeit hatte. Ich bin nicht auf die Welt gekommen, um Dokumentarfilmer zu werden. Aber Dokumentarfilme sind leichter förderbar - gerade in Österreich. Ulrich Seidl hat seinen ersten Spielfilm mit 51 Jahren gemacht, Michael Haneke mit 47, ich fühle mich da mit 48 gar nicht in so schlechter Gesellschaft. Ein Spielfilm kostet viel Geld, auch darum ist es beim Dokumentarfilm leichter, Finanzierungen zu bekommen. Ich wollte aber immer schon zumindest genreübergreifend arbeiten. Wichtig ist ja vor allem, welche Geschichte man erzählt. Manche kann man besser dokumentarisch erzählen und andere wieder fiktional.

Die Furche: Bei den Themen sind Sie auch in "Black Brown White“ in Ihrem Metier geblieben.

Wagenhofer: Das ist eine Haltungsfrage - da interessieren mich Ausgrenzung und Begrenzung sehr. Bei gewissen Grunddingen springt man da immer wieder an. Es gibt ja auch Sprüche wie: Der Thomas Bernhard hat immer dasselbe geschrieben. Hat er natürlich nicht, aber er ist immer von sich selbst ausgegangen und er war eben so, wie er war.

Die Furche: Nach dem Nahrungsproblem, das Sie in "We feed the World“ beleuchten, nach dem Wirtschaftsproblem, dem Sie sich in "Let’s Make Money“ gewidmet haben, kommt man fast zwangsläufig drauf, dass Sie nun dem Fremdenproblem, der Migration widmen.

Wagenhofer: Genau. Die Dinge greifen ineinander. Wobei mich die Migration gar nicht so sehr beschäftigt wie eben die Frage der Ausgrenzung: Warum grenzt man Menschen aus? Und wo beginnt das? Und wann übernimmt man Verantwortung? Das hat mich auch an der Figur des Truckfahrers Don Pedro interessiert. Ich wollte nicht irgendeinen Deppen darstellen, der die Flüchtlinge in seinen Wagen pfercht und sich sonst nicht um sie schert. Solche Leute gibt es sicher auch. Was passiert aber, wenn da etwas Unvorhergesehenes eintritt, und der plötzlich menschlich angesprochen ist - emotional, nicht nur mit seiner Logistik und Raffinesse gefordert ist? Ich wollte das aus der Sicht des Schleppers erzählen - das wird nie gemacht. Und ich wollte ihn auch nicht als den Bösen hinstellen.

Die Furche: Sie haben wiederholt darauf hingewiesen, dass Teile der Recherche für "Black Brown White“ aus den Vorbereitungen für die Dokumentarfilme stammen.

Wagenhofer: Das ist ein Work in Progress. Das machen ja auch andere so. Ich kenne einen Bäckermeister, der denkt den ganzen Tag darüber nach, wie er seine Kipferl verbessern kann. Ein Filmemacher macht nichts anderes: Ich denke darüber nach, wie kann man das, was meine Haltung ist, besser ausdrücken?

Die Furche: Der Plot schließt auch daran an, was Sie schon in "Let’s Make Money“ gezeigt haben. Zum Beispiel die Szene in der leer stehenden Appartmentsiedlung in Spanien - das haben Sie ja schon im Dokumentarfilm thematisiert.

Wagenhofer: Ja, ich habe es aber verfeinert. Da ist jetzt zum Beispiel ein Satz drinnen, dass man mit leer stehenden Häusern Geld verdienen kann. Ich war mit "Let’s Make Money“ viel unterwegs, und da wurde ich bei Publikumsveranstaltungen immer wieder gefragt: "Wie kann man mit leer stehenden Häusern Geld verdienen?“ Und ich wollte es einmal erklären. Im Film spielt da nur eine kleine Szene dort. Aber die Idee war, Orte, die ich kenne und wo ich weiß, was dort vorgeht, jetzt nicht als Thema zu haben. Sondern als Kulisse.

Die Furche: Was steht im Vordergrund: Die Geschichte, die Sie erzählen wollen oder die politische Botschaft?

Wagenhofer: Ich will in erster Linie eine Geschichte erzählen. Ein fiktionaler Film ist für mich Atmosphäre und Charaktere. Und dann gibt es noch einen Plot, dem sie folgen. Von Anfang an war klar, dass ich nie die Flüchtlinge zeigen werde, die im Truck drinnen sind: Die hört man nur. Die Grausamkeiten, die sich im Truck abspielen, schwingen aber mit: Diese eingepferchten Menschen fahren ja auch in unseren Köpfen mit, wir wissen ja auch davon. Wenn Sie in Südspanien an der Küste sind, werden täglich Leichen angeschwemmt. Und trotzdem verbringen die Leute ihre Urlaube dort. Das ist alles permanent da. Die Flüchtlinge sitzen also nicht nur im Truck des Schleppers drinnen, sondern sie müssen auch in unserem Gewissen drinnen sitzen. Und damit spiele ich.

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