Vielfalt öffnet Goldmine

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Die Diversitäts-Gurus und ihre Anhänger waren sich bei ihrem Weltgipfel so schön über Sinn und Wert ihres Vielfaltskonzepts einig. Bis ein britischer Lord kam und zu reden anfing …

Von Vielfalt zu reden ist einfach, Vielfalt zu leben ist die Kunst. Der World Diversity Leadership Summit (WDLS) hat sich der Verbreitung dieser Kunst verschrieben. Vergangene Woche fand der europäische Ableger dieses Diversitäts-Gipfeltreffens, WDLS-EU, erstmals in Wien statt. Und die Organisatoren dieser Veranstaltung, angefangen von Konferenz-Managerin Beatrice Achaleke (siehe Interview FURCHE Nr. 9, 2010), blieben selbst nicht hinter den von ihnen propagierten Diversitätsidealen zurück. Vielfalt fördert Widerspruch. Vielfalt produziert Kritik. Vielfalt verlangt ein Visavis, das Einspruch erhebt. Der britische Lord Michael Hastings (Bild re.) war der geladene Widerspruch beim Gipfel in Wien.

„Er bringt dich gleichzeitig zum Lachen und zum Nachdenken und zum Quer- und Neudenken“, sagte Achaleke nach Hastings Rede und: „Er muss nächstes Mal wieder kommen …“ Mit diesem Lob war die Gipfel-Organisatorin zwar nicht allein, aber es gab daneben auch viel Kritik. Für etliche Konferenzteilnehmer wurde mit dem Lord der Diversitätsbogen überspannt: „Was soll man nach so einer Fundamentalkritik überhaupt noch machen?“, lautete eine wütende Wortmeldung. „Sollen wir jetzt alle unsere Arbeit aufgeben“, war ein anderer, im gleichen Tonfall vorgebrachter Kommentar.

Was hatte der Lord gesagt, dass er andere Diversitätsgurus damit so verstörte?

Zuerst einmal, Lord Michael Hastings ist wer. Was er sagt, hat Gewicht. Hastings leitete bei der britischen Rundfunkanstalt BBC deren Umsetzung der „Corporate Social Responsibility“, also die freiwillige Verpflichtung des Unternehmens für gesellschaftlich verantwortungsvolles Handeln. Jetzt ist Hastings der Diversitätsbeauftragte von KPMG, einem führenden Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen. Seinen Lord bekommen hat Hastings, dessen familiäre Wurzeln über Indien nach Angola und die Karibik nach Ghana reichen, für seine Anti-Rassismus-Arbeit bei der Londoner Polizei; den UNICEF-Preis erhielt er für Beiträge zur Armutsbekämpfung und Gesundheitsvorsorge bei afrikanischen Kindern.

Diversität als Selbstzweck ist zu wenig

Diese Arbeit und diese Solidarität mit den Ärmsten der Welt führte auch in Hastings Rede am Vielfaltsgipfel zu jenem Schluss, den manche Teilnehmer als Fundamentalkritik an ihrer Arbeit auffassten: Hastings Argumentation lief nämlich auf die Frage hinaus: Was nützt es, wenn wir überall Diversitätskonzepte etablieren, wenn wir erfolgreich Frauen, Minderheiten, Behinderte, Menschen mit anderer sexueller Orientierung, alte Menschen usw. als gleichberechtigte Bürger und Arbeitnehmer durchsetzen – und die Welt bleibt trotzdem die gleiche? Die Armen werden nicht weniger, die weltweite Not nicht geringer. Und Hastings gibt sich selbst und den anderen Diversitätsvertretern eine eindeutige Antwort: Solche Diversitätserfolge wären nutzlos. Wenn Diversität keine bessere Welt zur Folge hat, ist sie umsonst. Harte Kost. Aber wer Vielfalt predigt, muss auch vielfältige und widersprechende Meinungen verdauen können.

Nach dem Widerspruch-Lord kam Douglas C. Freeman, der Gründer des World Diversity Leadership Summit zu Wort. Weniger global-radikal gedacht, forderte auch er einen Profit aus der Umsetzung von Diversitätskonzepten. Freeman sieht die Diversitätsdiskussionen mit einer „Goldminen-Theorie“ einhergehen. „Liegt Gold in der Diversität vergraben?“, fragt er und: „Kann man mit Diversität Geld machen?“ Beide Fragen beantwortet Freeman mit einem eindeutigen Ja. Er prognostiziert darüber hinaus: „Diversität steigert nicht nur den finanziellen Wert von Unternehmen, Diversität erhöht auch das Humankapital von Firmen.“

So wie in der Diskussion um die bereits genannte Corporate Social Responsibility (CSR) leidet auch die Debatte um Diversität an einem ökonomischen Misstrauensvorschuss. In Sonntagsreden wird die Bedeutung von CSR und Vielfalt hervorgestrichen. Am Montag aber zählen die Zahlen. Aber Douglas C. Freeman ist überzeugt, dass Diversität „in guten und in schlechten Tagen“ Gewinn bringt. „Return on investment“ ist das fachchinesische Zauberwort für diese Rechnung. Was bekomme ich für mein Geld zurück, heißt die Erfolgsformel.

Freeman präsentierte beeindruckende Zahlen: IBM hat die Umsetzung von Diversitätskonzepten 200 Millionen Euro gebracht, Visa 53 Millionen und Adecco 33 Milliarden. Freeman erzählt noch weitere Erfolgsgeschichten, warnt vor den blinden Flecken, die Unternehmen ihre Diversitätspotenziale übersehen lässt, und lädt als Zeugen Bruce Roch von Adecco-Frankreich auf das Podium. „Diversität ist die Investition wirklich wert“, bestätigt Roch. Allein schon ein „gegendertes“ Management, also Frauen und Männer ausbalanziert auf allen Ebenen des Unternehmens, habe Adecco ein Plus von sechs Prozent an Produktivität gebracht. Deshalb Rochs Resümee: „Ohne Diversität ist man in einem wirklichen Schlamassel (in a real mess).“

Martin Luther Kings Traum erfüllen

In großen Turbulenzen sieht Lord Hastings die Vereinigten Staaten von Amerika. Das bringt ihn zu den Anforderungen, die an den gegenwärtigen US-Präsidenten gestellt sind, und er fragt: „Ist es genug, dass Amerika einen Präsidenten mit schwarzer Hautfarbe hat? Nein, die ethnische Frage ist nicht die entscheidende, mit der Barack Obama konfrontiert ist: Arbeitsplätze, Wohnungen, Gesundheitsversorgung … das sind jetzt die wichtigen Themen.“

Dann spannt Hastings den Bogen nach Südafrika, fragt, was mit der Etablierung einer schwarzen Regierung eigentlich erreicht wurde angesichts der dramatischen Armut in der schwarzen Bevölkerung.

Und Hastings schaut nach Simbabwe und fragt, was der schwarze Präsident Mugabe, der sein Land ruiniert, gegenüber seinem weißen Vorgänger besser macht.

Die vergangene Woche veröffentlichte Forbes-Liste der reichsten Menschen lässt den Lord in Bezug auf Diversität jubeln: Der reichste Mann der Welt ist jetzt ein Mexikaner, und die Plätze vier und fünf belegen nach zwei Amerikanern zwei Inder. Doch was bringt’s? „Der Reichtum ist nicht mehr weiß, aber die Armut ist trotzdem schwarz geblieben und von der Erreichung der Millennium-Entwicklungsziele sind wir immer noch meilenweit entfernt.“

Lord Hastings zitierte Martin Luther Kings „I have a dream“-Rede: „Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilt.“ – Das bringt auch Hastings zu seiner zentralen Forderung: „Unsere Diversitäts-Schachteln zu füllen, ist zu wenig, Menschen nur aufgrund ihrer Herkunft in Positionen zu hieven, greift zu kurz. Kompetenz und Charakter müssen die entscheidenden Kriterien bleiben.“ Eine Zuhörerin nickte dem Lord daraufhin zustimmend zu, zog aber ihren eigenen Schluss daraus: „Das eine tun, das andere nicht lassen, wird das Beste bleiben.“

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