Vielfalt statt Einheitsbrei

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Vielfalt-Managerin Beatrice Achaleke holt den „World Diversity Leadership Summit“ nach Wien. Soziale Vielfalt konstruktiv nutzen, ist die Botschaft dieser internationalen Konferenz.

Beatrice Achaleke, Österreicherin aus Kamerun, hat „Diversität in die Wiege gelegt bekommen“. Und sowohl in Afrika als auch seit 16 Jahren in Österreich pflegt sie die Vielfalt: Mit der Gründung nationaler und internationaler Organisationen für schwarze Frauen, mit der Etablierung des Diversitäts-Konzepts …

Die Furche: Frau Achaleke, bei meiner Ankündigung des Themas „Diversität“ in der Redaktion haben Kollegen im ersten Moment an Biodiversität gedacht – das Thema Diversität scheint mehr mit Natur und weniger mit Menschen verbunden zu werden.

Beatrice Achaleke: Es ist erfreulich, wenn Biodiversität ein Thema ist. Diversität als wertvolle Ressource ist dadurch generell leichter zu verstehen. Wenn eine Diversitäts-Bedeutung bereits in den Köpfen angekommen ist, dann bin ich zuversichtlich, dass auch unsere Themen, die wir beim World Diversity Leader Summit (WDLS) in einer Woche in Wien aufgreifen, ankommen.

Die Furche: Im Wikipedia-Lexikon wird Diversity Management so beschrieben: soziale Vielfalt konstruktiv nutzen – hinken wir in Österreich dieser Entwicklung nach?

Achaleke: Diversität ist auch bei uns gerade dabei, ein Modebegriff zu werden. Aber man tendiert dazu, das Thema mit Integration gleichzusetzen. Diversität geht jedoch darüber hinaus, ist ein umfangreiches Konzept.

Die Furche: Sie selbst kommen aus der Migrations- und Integrationsarbeit. Sind diese Themen nicht die Kernpunkte in der Diversitäts-Diskussion?

Achaleke: Das ist ein Teil. Es gibt mindestens sechs Diversitätsfelder: Alter bzw. Generationenfragen, sexuelle Orientierung, Gender, also die Frau-Mann-Thematik, sowie ethnische Zugehörigkeit, Religion und Behinderung. Das sind die Hauptstränge. Man kann aber auch Bildung, Sprachen oder soziale Klassen dazu nehmen. Die Tendenz in Österreich geht jedoch dahin, Vielfalt mit der Integration von Minderheiten oder Ausländern gleichzusetzen. Die anderen Aspekte von Diversität werden vergessen.

Die Furche: Mit welchen Folgen?

Achaleke: Ein gutes Diversitätskonzept sollte heute in jeder Firma dazugehören. Jedes Unternehmen, das Vielfalt als Chance sieht, diese fördert und einsetzt, wird gewinnen. Diversität eröffnet eine Riesenchance: Sie schließt nicht aus. Deswegen spricht man im Fachjargon auch von Diversity Inclusion, also von Einbindung, Einschließung …

Die Furche: Wenn Sie Unternehmen ansprechen, ist Diversität dann doch vor allem ein Management-Werkzeug zur Effizienzsteigerung? Oder bezieht sich Diversität auch auf Politik, die Gesellschaft als Ganzes?

Achaleke: Sowohl als auch. Es geht ja um die Nutzung von personellen Ressourcen, es geht um Humankapital. Firmen brauchen qualifizierte Arbeitskräfte, um effektiv zu sein. Dann ist es wichtig, dort aufzuzeigen und zu sagen: Das Angebot an Menschen ist viel größer als ihr es bisher wahrgenommen habt. Qualifikationen finden sich auch dort, wo wir bisher nicht hingeschaut haben. Man hat nicht gedacht, dass Menschen mit Behinderung hoch qualifiziert sein können. Aber wir sehen in Deutschland, dass ein Rollstuhlfahrer Finanzminister sein kann und in Österreich eine gehörlose Frau Nationalratsabgeordnete. Das heißt: Es gibt sowohl für die Politik als auch für die Wirtschaft ein Potenzial an Menschen, das für unsere Gesellschaft wichtig ist.

Die Furche: Und wie sollen Politik und Wirtschaft auf diese Einsicht reagieren?

Achaleke: Ich erwarte von der Politik, dass sie Gesetze erlässt, die Diversität ermöglicht. Und ich erwarte von Firmen, dass sie ihre Personalpolitik so anlegen, dass diese niemanden ausschließt.

Die Furche: Wenn die Wirtschaft positive Effekte sieht, wird sie sich der Diversität nicht verwehren. Die Politik aber schaut dem Wahlvolk aufs Maul, und dort ist der Widerstand gegen Vielfalt und Fremdes manifest.

Achaleke: Vielfalt ist nützlich, für manche mehr, für manche weniger, je nachdem wo wir sind. Aber es kann heute keiner sagen, ich brauche eine homogene Gesellschaft, um weiterzukommen. Jenseits des Privatbereichs hat jeder und jede ein berufliches Umfeld, das Diversität verlangt. Wir leben in einem Kontext der Globalisierung. Gehen Sie in ein Geschäft, die Verkäuferin kommt vielleicht aus einer anderen Kultur oder ist behindert oder, oder … Das gleiche gilt für meinen Nachbarn oder meine Nachbarin. Unsere Gesellschaft ist nun mal vielfältig. Schon unter Österreichern und Österreicherinnen gibt es keinen Einheitsbrei. Wir sind verschieden. Jetzt geht es darum, diese Verschiedenheit, diese Unterschiede als Chance zu sehen.

Die Furche: Dieses Ziel verfolgen Sie mit der Diversitäts-Konferenz in Wien?

Achaleke: Mein Ziel mit dem WDL Summit ist es, Diskussionen anzuregen, und die Aufgabe der Politik ist es, konkrete Ansatzpunkte zu finden und zu sagen, das und das können wir umsetzen. Von Wiener Politikern hört man oft: Wien ist eine Stadt der Vielfalt. Stimmt! Aber diese Vielfalt ist nicht von vornherein gegeben, diese Vielfalt braucht Rahmenbedingungen, möchte entdeckt und muss gefördert werden. Lippenbekenntnisse allein reichen nicht aus.

Die Furche: Was braucht es stattdessen?

Achaleke: Die Gesetze in Österreich sind nicht sehr diversitätsfördernd. Viele Menschen werden ausgeschlossen. Wir leben generell in Strukturen, die sehr ausschließend sind. Wenn ich aber Diversität fördern will, dann muss ich in meine Legislatur hineinschauen: Was sind jene Aspekte der Gesetzgebung, die Diversität hindert? Die Menschen davon abhält, ihr volles Potenzial auszuschöpfen und zu einem gesellschaftlichen Wandel beizutragen.

Die Furche: Die Politik grenzt aus?

Achaleke: In der Politik herrscht ein exklusiver Diskurs. Wenn man bestimmte Menschen verschiedenen Klassen zuordnet: die Ausländer, die Alten, die Behinderten, die Homosexuellen, die Muslime … und aus diesen Gruppen Problemfelder hervorhebt, ohne deren positiven Beitrag hervorzuheben, dann ist das sehr exklusiv. Und das tut die österreichische Politik.

Die Furche: Im Vorjahr haben Sie für Ihre Integrationsarbeit den „Global Diversity Innovation Award“ bekommen. Vor Ihnen war Václav Havel der Preisträger. Diese Abfolge zeigt eine Vielfalt, die mir nicht sofort einleuchtet.

Achaleke: Václav Havel ist ein Mann, ist ein Europäer, Tscheche, Politiker, Dichter … Ich bin eine schwarze Frau, Europäerin, Afrikanerin, Österreicherin … Ich arbeite mit anderen Themen, aber uns verbindet unser Einsatz für Menschenrechte und Chancengleichheit. Die Tatsache, dass er ein berühmter Staatsmann ist und ich eine kleine Bürgerin bin, und wir trotzdem beide den gleichen Preis bekommen haben, zeigt, dass Diversität nicht ausschließt. Diversität ist nicht nur für die obere Schicht, nicht nur für die untere Schicht, sondern Diversität ist ein „inclusive concept“. Diese Auszeichnung hat mir auch den Mut gegeben zu sagen: Es ist Zeit für eine größere Herausforderung, die möglichst viele anspricht. Die so inklusiv, so einschließend ist wie dieser Preis.

* Das Gespräch führte Wolfgang Machreich

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