Eine Welt wie Disneyland

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Carmen Smith ist die Diversitäts-Managerin der Walt Disney Parks. Vielfalt zu verstehen und abzubilden ist das Geheimnis ihres Erfolgs – ein Lehrbeispiel.

Carmen J. Smith ist anders als andere Menschen in vergleichbar hohen beruflichen Positionen. Smith ist die Vize-Präsidentin der Walt Disney Parks für „Global Strategies for Diversity and Inclusion“, übersetzt also die Vielfalts- und Einschluss-Managerin des Weltkonzerns. Was Smith aber unterscheidet: Sie hört zu. Während andere kleinere und größere Stars beim World Diversity Leadership Summit in Wien ihre Reden halten und anschließend gehen, bleibt die Afro-Amerikanerin sitzen, hört den anderen Beiträgen zu, macht sich Notizen …

Der Aufstieg auf der Karriereleiter hat Smith die Neugier nicht austreiben können – eine Seltenheit. Bei Smith ist Neugier und Interesse sogar der Schlüssel zu ihrem Erfolg und dem ihres Unternehmens. „Zu verstehen, was Diversität und Einbindung (inclusion) bedeutet ist für uns entscheidend“, sagt Smith. Sie verwendet das Wort „crucial“, das im Deutschen auch mit „überlebenswichtig“ übersetzt wird. Und Smith meint es auch so, fügt sie doch hinzu: „Vielfalt ist unsere DNA bei Walt Disney, es ist das, was uns ausmacht.“

Die Gäste im Innersten berühren

Smiths Vortrag beim Vielfalts-Gipfel gab auch Einblicke, wie Super-Managerinnen ihre Arbeit verstehen. So erzählte die geschätzte Mittfünfzigerin wie sie sich in die Menschenschlangen in den Walt Disney Parks einreiht, um die Emotionen der Besucher zu studieren – der großen und der kleinen. Smith erzählt von afro-amerikanischen Mädchen, die zu weinen anfangen, als ihnen eine (erstmals) ebenfalls schwarze Prinzessin entgegenkommt. „Es ist wichtig, dass wir unsere Gäste im Innersten berühren“, sagt Smith, „wir lassen die Menschen wissen, dass wir sie kennen und ernst nehmen, in all ihrer Unterschiedlichkeit.“ Smith sagt dann auch, dass die Walt Disney Parks das Leben nachbilden wollen, die gute, die positive Seite, die hoffnungsvolle und schöne Seite dieser Leben.

Smith fügt dann auch mit der Amerikanern eigenen Selbstgewissheit hinzu, dass sie am richtigen Weg sind – „we are doing the right thing“ und dass die Menschen diese Parks voller Hoffnung für ihren Alltag wieder verlassen. Für die Diversitäts-Diskussion entscheidend sind aber andere Einschätzungen der gebürtigen New Yorkerin: „Um effektiv zu sein, müssen wir die Menschen kennen.“ Und: „Für uns ist es wichtig, ihre Träume zu verstehen.“ Und: „Die Vielfalt der Gesellschaften abzubilden und diese Vielfalt einzubinden ist spielentscheidend – the game change!“ Smith sagte dann noch einen Satz, den vor ihr der kanadische und der US-Botschafter in Österreich in Variationen beim Diversity-Gipfel gesagt hatten und der den entscheidenden Unterschied beim Zugang zu Vielfalt auf dieser und der anderen Seite des Atlantiks beschreibt. Smith: „Wir sind stolz darauf zu sagen, wir brauchen dich! Wir hoffen, du fühlst dich bei uns ernst genommen und eingebunden!“

John Barrett, Botschafter Kanadas in Österreich, erhob die Diversitäts-Philosophie zum Staatsmotto seines Landes: „Willkommen in Kanada – mach es zu einem besseren Land!“ ist laut Barrett die kanadische Begrüßung für Einwanderer getreu dem Gründermythos: „Sie ersehnten ein besseres Land.“

Barrett führte aus, dass seine Heimat, relativ zur Bevölkerung des Landes (gut 33 Millionen), die weltweit höchsten Einwanderungszahlen hat: Etwa 250.000 Migrantinnen und Migranten werden jährlich angeworben, neben denen noch einmal fast 200.000 Einwanderer mit befristeten Aufenthaltsgenehmigungen ins Land kommen. Der Anteil der im Ausland geborenen Bevölkerung liegt bei fast 20 Prozent. In weniger als zehn Jahren, wird prognostiziert, bilden Angehörige der „erkennbaren Minderheiten“ in kanadischen Großstädten die Mehrheit.

Integrationsvorbildland Kanada

Kanadas erfolgreiche Integrationspolitik erklärte der Botschafter mit der Selbstverpflichtung der kanadischen Gesellschaft auf ein plurikulturelles Miteinander, geleitet von den Prinzipien der Chancengleichheit und Toleranz gegenüber kultureller Differenz. Als praktische Hardware neben dieser integrationspolitischen Software nannte Barrett das kanadische Schul- und Bibliothekensystem, das sowohl Kanadas Staatssprachen als auch die Heimatsprachen der Einwanderer fördert.

Die vergleichsweise schnelle Zuerkennung der kanadischen Staatsbürgerschaft (drei bis fünf Jahre) wertet Barrett ebenfalls als entscheidend zur Förderung von Integration: „Anerkennung ist wichtig, Ignorieren untergräbt das System, denn Demokratie braucht gleichberechtigte Staatsbürger.“

Und kurz vor den Gemeinderatswahlen in Wien, in deren Wahlkampf das Ausländerthema wieder – mit Argumenten aus der tiefsten Schublade – zuoberst stehen wird, waren die kanadischen Klarstellungen beim Diversity Summit besonders wertvoll: „Wer kommt, braucht nicht fürchten an den Rand gestellt zu werden“, sagte Barrett, „Wir verlangen von den Einwanderern, dass sie sich in unsere Gesellschaft einbringen, so wie wir sie einbinden – das macht eine liberale Gesellschaft aus.“

Keine Talente verschwenden

Barretts amerikanischer Botschafterkollege in Österreich, William C. Eacho III., wollte seinem kanadischen Vorredner um nichts nachstehen und adelte Vielfalt gleich zum Herzstück der US-Identität, entscheidend um in der globalen Wirtschaft weiterhin bestehen zu können. Eacho: „Wir können uns die Verschwendung von Talenten nicht leisten, der Ausschluss von Gruppen führt in die soziale Rezession und Unternehmen wie Staaten, die das nicht erkennen, werden vom Markt verschwinden.“ Der amerikanische Botschafter lieferte auch noch eine interessante Definition von Diversität: „Die Kunst, gemeinsam unabhängig voneinander zu denken.“

Andrés Tapia, Erfolgsautor (The Inclusion Paradox: The Obama Era and the Transformation of Global Diversity, 2009) und Diversitäts-Chef beim international tätigen Personalmanagement-Berater Hewitt erzählte von seinen Schwierigkeiten als Kind von Peru in die USA zu übersiedeln und damit von einer Ereignis-orientierten Gesellschaft in eine Uhr-orientierte zu wechseln – unzählige Missverständnisse und Verspätungen mit eingeschlossen. Tapia unterscheidet: Diversität ist für ihn der gesellschaftliche Mix, Einbindung (inclusion), wie sich diese Mischung effektiv nutzen lässt. „Wer da die Möglichkeiten nicht sieht“, so der Personalrekrutierer, „wird wirtschaftlich schwer darunter leiden.“ Tapia präsentierte eine Zahl der EU-Kommission, wonach allein die Eliminierung des „gender gap“, also die Kluft zwischen Männern und Frauen in der Wirtschaft eine 30-prozentige Steigerung (?) des Bruttosozialprodukts mit sich bringen würde.

Georg Horaceks Kommentar passte da wunderbar dazu. Für den Human-Resources-Verantwortlichen der OMV ist Ignoranz gegenüber Diversität nur „wirtschaftlich dumm“: „Sich von Kunden oder talentierten Mitarbeitern aufgrund bestimmter Unterscheidungsmerkmale – Nationalität, sexuelle Orientierung etc. – abzuschneiden, macht wirtschaftlich einfach überhaupt keinen Sinn.“

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