„Hinschauen statt wegschauen“

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Die Präsidentin der Wirtschaftskammer Wien, Brigitte Jank, spricht dieser Tage am World Diversity Leadership Summit-Europa in Wien. Nicht zuletzt, weil sich die WK Wien unter ihrer Führung als Vorreiter bei Diversity Management profiliert hat. lm Interview erläutert Jank die Chancen, die für Unternehmen im offensiven Umgang mit Vielfalt liegen.

Österreich liegt im Mittelfeld, was die Diversity-Entwicklung betrifft, sagt Brigitte Jank, Präsidentin der Wirtschaftskammer Wien. Mit Diversity Management können Unternehmen jedoch aus Sicht der Kunden interessanter werden, zudem erhöhen sie ihre Chancen, neue Märkte zu erschließen, und haben bei der Personalrekrutierung mehr Möglichkeiten, ist Jank von den Vorteilen überzeugt.

Frau Präsidentin Jank, Vielfalt konstruktiv nutzen lautet die offizielle Definition von Diversity Management. Was bedeutet das Diversity-Konzept jedoch für Sie persönlich?

Brigitte Jank: Für mich bedeutet Diversity, die in Wirtschaft und Gesellschaft vorhandene Vielfalt bewusst wahrzunehmen und zuzulassen. Das trägt dazu bei, den eigenen Horizont zu erweitern, Neues kennenzulernen und uns gegenüber den internationalen Mitbewerbern zu stärken.

Welche Bedeutung hat Diversität gerade für die Wirtschaft?

Jank: Eine sehr große, deswegen unterstütze ich auch alle Bemühungen in diesem Bereich. Gerade als kleine Volkswirtschaft ist es wichtig, breit aufgestellt zu sein. Konkret heißt das: Wir brauchen große und kleine Betriebe, Traditionsunternehmen und kreative Start-ups, Erfahrung und Innovation, stark international ausgerichtete Betriebe und Unternehmen mit einem klaren Fokus auf das eigene Grätzel usw. Genau darin liegt unsere Stärke, genau das gilt es zu erhalten und zu pflegen.

Ist Diversity-Management die richtige Antwort auf eine globalisierte Welt?

Jank: Es ist mit Sicherheit eine richtige Antwort, wenn auch nicht die einzige. Wir holen damit ein Stück der Welt in unser Leben und verbinden damit Globalität und Regionalität. Wer hier den Zug verpasst, wird früher oder später von den internationalen Entwicklungen überholt werden.

Richtig verstanden soll das Vielfalts-Management ja sowohl Kunden wie Mitarbeiter besser bedienen. Ist Ihrer Meinung nach diese Botschaft schon durchgedrungen?

Jank: Wir arbeiten sehr intensiv daran, dass diese Botschaft zum selbstverständlichen Wissen aller wird. Immerhin ist laut einer aktuellen Befragung der Wirtschaftskammer Wien für zwei Drittel der befragten Wiener Unternehmen Diversity Management heute schon ein Thema. Das ist sehr beachtlich und verdient Anerkennung. Für mich ist dies auch eine Bestätigung, dass unser Weg der Bewusstseinsbildung und Sichtbarmachung von Vielfalt und ihren Vorteilen konsequent weiterzugehen ist.

Hinken wir in Österreich der internationalen Diversity-Entwicklung hinterher?

Jank: Ich würde sagen, wir liegen derzeit im Mittelfeld. Für uns ergibt sich daraus die Chance, von anderen Ländern, die weiter sind als wir, zu lernen.

Wo sehen Sie die großen Vorteile für Unternehmen, die sich der Diversität verschreiben?

Jank: Wer auf Vielfalt setzt, macht sein Unternehmen aus Sicht der Kunden interessanter, erhöht seine Chancen, neue Märkte zu erschließen, und hat auch bei der Personalrekrutierung mehr Möglichkeiten. All das stärkt die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und verbessert seine wirtschaftlichen Aussichten.

Die Wirtschaftskammer Wien hat zur Förderung dieses Konzepts ein eigenes Diversity-Referat geschaffen. Was sind Ihre ersten Erfahrungen mit dieser Anlaufstelle?

Jank: Unsere Erfahrungen sind durchwegs positiv. Wir registrieren ein großes Interesse der Betriebe an diesem Thema und ernten viel Anerkennung für unseren doch sehr progressiven Schritt als Interessenvertretung. Über unser Diversity-Referat haben wir eine sehr enge und konstruktive Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Interessenverbänden aufgebaut – etwa im Bereich der ethnischen Ökonomien oder der Behindertenverbände.

Kulturelle Vielfalt wird oft ja auch als Gefahr gesehen – wie kann man dem entgegentreten?

Jank: Ich sehe sie als Stärke – beispielsweise in der Exportwirtschaft. Wer in fremden Märkten Fuß fassen will, muss mit den kulturellen Gepflogenheiten des Landes vertraut sein. Wer diese Kompetenz im eigenen Unternehmen hat, hat die besten Chancen. Aber auch der österreichische Markt ist nachfrageseitig von einer kulturellen Vielfalt geprägt. Allein in Wien hat mehr als ein Drittel der Bevölkerung einen Migrationshintergrund, unsere Unternehmer stammen aus über 100 Ländern der Welt!

Ist die Wirtschaft da offener, weiter als die übrige Gesellschaft?

Jank: Mit Sicherheit. Diese Offenheit hat im Wirtschaftsleben eine längere Tradition – denken Sie nur an die vielen Gastarbeiter, die unsere Wirtschaft vor allem in den 1950er und 1960er Jahren gebraucht hat, um die großen Herausforderungen nach dem Krieg bewältigen zu können.

Rund 25 Prozent der Einzelunternehmerinnen und Einzelunternehmer haben Migrationshintergrund – ein Faktum, das noch wenig bewusst ist. Ist die Wirtschaft insofern auch ein zentraler Integrationsfaktor?

Jank: Die Wirtschaft spielt eine sehr große Rolle bei der Integration von ausländischen Mitbürgern und auch der zweiten und dritten Generation. Als Arbeitgeber trägt sie dazu bei, dass Zuwanderer und ihre Kinder in das Wirtschaftsleben integriert werden und in der Folge auch am gesellschaftlichen Leben leichter teilnehmen können. Als Unternehmer sind Menschen mit Migrationshintergrund heute sehr gut integriert. Wichtig ist aber auch, dass das österreichische Bildungswesen mit diesen Entwicklung Schritt hält, denn in der Wirtschaft geht es vor allem um Qualifikation und Deutschkenntnisse. Wer hier Defizite aufweist, wird Schwierigkeiten haben, Anschluss zu finden. Hier hat unsere Bildungspolitik noch eine Menge an Hausaufgaben zu erledigen.

Welche zukunftsweisenden Konzepte bzw. Unternehmensideen wurden bisher mit dem von der Wirtschaftskammer Wien ausgelobten DiverCity-Preis ausgezeichnet?

Jank: Wir haben heuer den Preis erstmals vergeben und damit die besonderen Leistungen von drei Wiener Unternehmen ausgezeichnet. Einerseits IBM in der Kategorie Großunternehmen, die Diversity Management seit vielen Jahren im Konzern sehr gezielt betreiben, andererseits die Firma equalizent in der Kategorie Klein- und Mittelbetriebe, die sich insbesondere im Bereich der Kommunikation mit Gehörlosen verdient gemacht hat. Einen Sonderpreis in der Kategorie ethnische Ökonomien haben wir an die Firma Unitcargo vergeben, deren Mitarbeiterschaft in einem hohen Maße international aufgestellt ist und damit die internationale Marktausrichtung des Unternehmens stärkt.

Was bedeutet Diversity Management für die Arbeit Ihrer eigenen Interessenvertretung, der Wirtschaftskammer Wien?

Jank: Auch wir in der Wirtschaftskammer Wien haben uns seit Jahren an die Vielfalt der Wiener Wirtschaft angepasst und bilden das in unserer Organisationsstruktur ab. So bieten wir für die vielen verschiedenen Berufsgruppen in den sogenannten Fachverbänden eine branchenspezifische Interessenvertretung und Betreuung, für Ein-Personen-Unternehmen haben wir das FORUM EPU als eigene Anlaufstelle eingerichtet, wir bieten mit Frau in der Wirtschaft und der Jungen Wirtschaft eigene Netzwerk-Plattformen für Unternehmerinnen und Jungunternehmer, wir arbeiten sehr intensiv mit ethnischen Verbänden zusammen, um die Kommunikation zu Unternehmern mit Migrationshintergrund zu verbessern und vieles mehr. Der bewusste Umgang mit Vielfalt ist für uns zur Selbstverständlichkeit geworden.

Beim diese Tage stattfindenden Diversity Summit in Wien treten Sie als Mitdiskutantin auf – was erwarten Sie sich von diesem hochrangigen Treffen?

Jank: Ich erwarte mir, dass die bewusste Wahrnehmung der Vielfalt dadurch gestärkt wird und die damit verbundenen Chancen noch aktiver und offensiver ergriffen werden.

Welche Diversity-Botschaft wollen Sie beim Summit und darüber hinaus geben?

Jank: Meine zentrale Botschaft ist: Hinschauen statt wegschauen – und mehr daraus machen. <<>>

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