Vom Walzer zur olympischen Disziplin

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Sport- und Gesellschaftstanz haben nur soviel gemeinsam wie ein Sonntagsspaziergang mit einem Marathonlauf.

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Sport- und Gesellschaftstanz haben nur soviel gemeinsam wie ein Sonntagsspaziergang mit einem Marathonlauf.

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Gesellschaftstanz, ursprünglich die Bezeichnung für die Tänze der Adels- und Hofgesellschaft, wurde gewissermaßen von unten unterwandert und verändert. Der Walzer, das Symbol bürgerlicher Tanzkultur, war der erste Tanz, der von allen Gesellschaftsschichten getanzt wurde, wenn es auch in den Salons der sogenannten guten Gesellschaft und in den Wiener Vorstadtbeiseln, wo man die derbere Variante des "Schleifers" tanzte, sehr unterschiedliche Modalitäten seiner Ausführung gab. Ob bei Hof oder unter dem Regiment der "Fiakermilli", die Wiener wiegten sich zu den Melodien von Lanner, Ziehrer, den Herren Strauß Vater und Sohn.

Das letzte Drittel des 18. und das 19. Jahrhundert stand ganz im Zeichen der Rundtänze, die sich wie der Walzer oder die Polka aus den Volkstänzen entwickelt hatten. Die nächste Veränderung im Gesellschaftstanz geriet an der Wende zum 20. Jahrhundert zur Revolution. Die junge Generation rebellierte gegen das Bürgertum, ein neues Körper- und Lebensgefühl fand seinen Niederschlag auch im Gesellschaftstanz.

Die neuen Tänze kamen aus den USA und Lateinamerika. Vom Aufbruch mit Boston, Tango, Shimmy und Charleston (bis in die Zwanziger) Swing und Boogie Woogie, Rock'n Roll (bis in die Fünfziger) Twist und den Beattänzen den Sechzigern, dem Disco-Boom in den Siebzigern bis zu den ersten Raves - um nur die großen Tanzwellen zu nennen - kann man auf eine rasante Entwicklung zurückblicken.

Um 1900 entstanden, von England ausgehend, die ersten Tanzklubs in denen Wettbewerbe ausgetragen wurden. Aus gesellschaftlichen Amüsement wurde Sport. Die erste Weltmeisterschaft fand 1922 in London statt und die Engländer waren es auch die 1929, die ersten standardisierten Regeln für den Sporttanz festlegten.

Spitze einer Pyramide In Österreich waren die Tanzbewerbe zunächst in den Tanzschulen zuhause, erzählt der Pressesprecher des Tanzsportverbandes Johannes Biba. Tanzlehrer wie Karl von Mirkowitsch oder Fred von Schlesinger waren die legendären Pioniere. In den dreißiger Jahren wurden die ersten Sporttanzclubs gegründet. 1960 wurde "Tanzen", heute unterteilt in "Standardtanzen" (Wiener Walzer, Langsamer Walzer, Tango, Slowfox, Quickstep) und "Lateintanzen" (Paso doble, Samba, Rumba, Jive, Cha-Cha-Cha) auch in Österreich offiziell als Sportart anerkannt. Mittlerweile sind der Sporttanz und der Gesellschaftstanz soweit auseinandergedriftet, daß Vergleiche kaum noch möglich sind. "Tanzen auf einem Ball und Tanzen bei einem Turnier hat nur soviel gemeinsam, wie ein Sonntagsspaziergang und der Marathonlauf", erklärt Johannes Biba.

Trotzdem: die Freude am Tanzen wird immer noch in den Tanzschulen geweckt. Viele Sporttänzer haben dort begonnen. Man muß sich das als Pyramide vorstellen", erzählt Klaus Mühlsiegel, der ehemalige Präsident des Österreichischen Tanzlehrerverbandes aus seiner 45jährigen Unterrichtserfahrung. "Wir sind die Basis."

Der Tanzsport hat sich in Österreich unter schwierigen Bedingungen hochgearbeitet. Namen wie Hans Peter und Inge Fischer (Europameister Latein, 1974) oder Manfred Zehender und Michaela Heintzinger (3. Platz, Weltcup Standard, 1996) sind wurden international zu einem Begriff und der Nachwuchs ist vielversprechend. Nach nahezu 100jährigem Ringen des Sporttanzes um Gleichstellung mit anderen Sportarten, wird 2008 bei den Oympischen Spielen erstmals getanzt.

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