Weder Schnitzler noch Kubrick

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Tagesreste, die in Form von verrätselten Träumen nachts wiederkehren, sind das Ausgangsmaterial von Arthur Schnitzlers "Traumnovelle“, einer Erzählung, in der die Grenzen zwischen Realität und Fiktion fließend sind, und die mit erotischen Fantasien ebenso spielt, wie mit gesellschaftlichen Moralvorstellungen und psychoanalytischen Querverweisen. Igor Bauersima hat sich also für seine Regiearbeit am Theater in der Josefstadt keinen leichten Stoff ausgewählt, eine Antwort auf die Frage, warum es ausgerechnet dieser Text sein musste, bleibt uns der Schweizer Regisseur und Dramaturg aber leider schuldig.

Dabei weiß Bauersima, der das Stück nicht nur inszeniert, sondern auch für die Bühne bearbeitet hat, die Geschichte von Beginn an auf durchaus kurzweilige Art und Weise umzusetzen. Schnitzlers Protagonist Fridolin wird von ihm in den Musiker Bernard (Michael Dangl) und dessen Traumdouble Ferenc (Alexander Pschill), einen jungen Arzt, aufgespalten. Während Ferenc sich immer weiter in ein Spiel aus Traum und Wirklichkeit verstrickt, begleitet ihn Bernard als Erzähler vom Bühnenrand aus.

Spannende Bilder, kein spannendes Theater

Nächtliche Abenteuer stehen im Mittelpunkt der rasch wechselnden Szenenfolgen, denn nachdem Ferenc’ Ehefrau Alva (Hilde Dalik) ihrem Mann ihre erotischen Fantasien offenbart hat, macht sich dieser, schwer von Eifersucht und Unruhe gebeutelt, auf den Weg seine Treue auf die Probe zu stellen. Beim ziellosen Umherstreifen durch Wien trifft er auf eine Teilzeithure mit Soziologiestudium, einen verschrobenen Kostümverleiher, auf einen ebensolchen Pathologen und gerät mitten in das orgiastische Fest eines sexuell äußerst aktiven Geheimbundes. Was davon wahr und was geträumt ist, bleibt ungewiss, aber zum Schluss kann zumindest die Ehekrise doch noch abgewendet werden.

Bauersima baut auf der Bühne mittels gekonnt eingesetzten Videoprojektionen wunderschöne Bühnenräume, perfekt arrangiert und ausgeleuchtet. Filmtheater nennt er selbst diesen Mix aus vorgefertigtem Filmmaterial und Bühnenspiel; damit entstehen spannende Bilder, es wird daraus jedoch kein spannendes Theater. Und auch wenn manches Arrangement durchaus witzige Effekte erzielt, etwa wenn Pschill in eine Folge von Grey’s Anatomy hineinmontiert wird, oder die Projektion der Skyline Wiens den Theaterraum auf beeindruckende Weise öffnet - wirklich abendfüllend sind diese Ideen nicht. Die bildgewaltige Aufführung lässt den Schauspielern kaum Raum für ihre Darstellung, und auch wenn sich das Ensemble wirklich Mühe gibt der Inszenierung Leben einzuhauchen, bleiben sie doch nur leicht bekleidete Staffage in Bauersimas schöner neuer Theaterwelt. Alles in allem ein langweiliger Abend, der weder an Kubricks Filmadaption noch an Schnitzlers Original heranreicht. Ein teilweise entschlummertes Publikum wacht gegen Ende nicht mehr richtig auf, dementsprechend verhalten fällt der Schlussapplaus aus.

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