Die Frage nach Heimat und Identität

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Enttäuschende Uraufführung von Igor Bauersimas Stück "Kap Hoorn" im Theater in der Josefstadt. Viele Wiederholungen dominieren die Dialoge.

Das Leben ist ein Vexierbild. Je nach Betrachtungsweise ist es einmal wunderschön, dann wieder grauenvoll. Und das Medium Theater changiert die unzähligen möglichen Perspektiven. Vor allem Igor Bauersima - Autor, Regisseur und Bühnenbildner - spielt in seinen Arbeiten mit dem Thema Illusionen, Träume und Wahrnehmungen. Das Theater in der Josefstadt hat nun die Uraufführung seines neuesten Stücks "Kap Hoorn" übernommen. Bauersima hat damit ein Konversationsstück für einen Mann mittleren Alters und eine Frau in den 80ern vorgestellt.

Dramatische Spannung

Genau folgt Bauersima seiner eigenen Regieanweisung und besetzt die Rolle der alten Dame mit einer wesentlich jüngeren Schauspielerin: Der 53-jährigen Ulli Maier gelingt die Verwandlung in die betagte, wohlhabende Witwe Cléo Lefreyd hervorragend. Maiers genaues Spiel fügt sich in Bauersimas detailverliebte Inszenierung, die die Entwicklung der Beziehung dieses ungleichen Paares beschreibt, aus dem schließlich Eheleute werden sollen. Im Kern geht es hier um die Frage nach Heimat und Identität, die auch aus Bauersimas eigener Biografie resultiert - er emigrierte 1968 mit seinen Eltern aus der CSSR in die Schweiz.

Die dramatische Spannung stellt er über eine ödipale Mutter-Sohn-Geschichte der beiden Protagonisten her, die sich jedoch erst im zweiten Teil entfaltet. Bis dahin haben es Ulli Maier als Cléo und Alexander Pschill als Martin Solman in Bauersimas schleppender Inszenierung ziemlich schwer. Viele Wiederholungen und Redundanzen dominieren die Dialoge in den ersten zwei Stunden, immer wieder wird auf die habgierige und erbschleicherische Pflegerin Belinda hingewiesen (der Bauersima leider keinen Auftritt gönnt), längst weiß man, dass diese nichts Gutes im Schilde führt, und nie legt Bauersima "falsche Fährten", die vielleicht auch einmal Martin verdächtig werden ließen. Lähmend-geradlinig verfolgt Bauersima die stockende Annäherung dieser beiden Figuren, die auch darstellerisch kaum Spielraum haben. Und so spielen Maier und Pschill im Gestus des Plaudertons, der dieses Kammerspiel belanglos vor sich hinplätschern lässt.

Erst im letzten Viertel der Inszenierung kommt Bewegung ins Spiel, wenn Bauersima in die Trickkiste seiner Opern- und Filmerfahrungen greift. Dann befindet man sich im schlimmsten aller Stürme, dann zittern die Bäume, und die Sackgasse, in die das ungleiche, fast lächerliche Paar geraten ist, löst sich in einem großen Gewitter auf. Mit Musik von Rachmaninow und Mahler wird abschließend ein melodramatischer Theaterdonner inszeniert.

Überhaupt hat Bauersima seine Aufmerksamkeit auf die Gestaltung der Bühne gelegt, die von Anfang an unterschiedlichste Räume und damit einhergehend auch Träume offenbart. Großartige Tapetenwände sind als Vexierbilder entworfen, die durch die Projektion von Bibliothekswänden abgelöst werden; Bilder von wilden, exotischen Tieren imaginieren Cléos Sehnsucht nach einem Leben in fernen Ländern, dunkle Schatten versinnbildlichen kalte Kellerräume, flackerndes Kaminfeuer schafft Vertrauen. Doch wie das aufgesetzte und unbefriedigende Ende behauptet, war alles nur ein Traum, eine Vorstellung vom Leben.

Bisherige Arbeiten waren besser

Wenn Cléo ihr Buch unter der Leselampe zuschlägt, ist das Stück zu Ende, ganz wie in Michael Endes "Unendlicher Geschichte".

Die Enttäuschung ist wohl auch deshalb so groß, weil man Bauersimas bisherige Arbeiten anders, weit besser strukturiert, in Erinnerung hat. Das macht auch wieder einmal die missverstandene, vakante Rolle des Dramaturgen deutlich, dessen Funktion dringend eine Aufwertung erfahren müsste.

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