Wenn Postkarten singen

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Olaf Nicolai beschäftigt sich mit politisch relevanten Themen. In der Galerie im Taxipalais analysiert er die Kontrolle von Informationsflüssen.

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Olaf Nicolai beschäftigt sich mit politisch relevanten Themen. In der Galerie im Taxipalais analysiert er die Kontrolle von Informationsflüssen.

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Die Werke des Künstlers Olaf Nicolai sind nicht das erste Mal in der Innsbrucker Galerie im Taxispalais zu sehen. Bereits 2008 brachte er für die Gruppenausstellung "Ritornell" seine Arbeit "La Lotta", eine Einhornskulptur, mit und bezog sich mit diesem Fabelwesen auf einen historischen Diskurs, der zwischen Fiktion und Realität positioniert war. Das Einhorn schien lebendig, strahlte aber eine Temperatur von 42 Grad aus, wodurch Nicolai auf den Tod und das Verschwinden des Wesens hinwies.

Wissenschaftliches, Politisches, aber auch die Natur sowie die Relation zwischen Körper, Raum und Zeit sind Themen die Olaf Nicolai immer wieder umkreist. Für den deutschen Pavillon hat er bei der vorjährigen Biennale in Venedig mit "GIRO" wohl eine der spannendsten Arbeiten präsentiert. Eine unsichtbare Werkstatt auf dem Dach des Pavillons, in der, quasi als Schattenwirtschaft, Bumerangs produziert wurden. Ab und zu traten die drei Arbeiter an den Dachrand und probierten die Flugbahn ihrer Werkstücke aus - ein dialektisches Zusammenspiel des Exponierens und des Sich-Versteckens der Akteure, aus dem sich die Spannung entwickelte. Dieses Arbeiten zwischen zwei Polen ist typisch für Nicolai. Funktionalität einerseits. Ästhetik andererseits. Die Bumerangs als Symbol für das Leben, für die Politik -sie kommen immer zurück! Das sollte man nicht vergessen.

Gegen das Vergessen hat Nicolai ja auch das Denkmal für die 3000 Verfolgten der NS-Militär-Justiz in Wien am Ballhausplatz entworfen. Dieses riesige, liegende X, das eigentlich auf einen dreistufigen Sockel reduziert ist und dessen Oberfläche ein Gedicht des schottischen Künstlers Ian Hamilton Finlay -"all alone" - zitiert.

Medientheorie und Galerie-Geschichte

Nicht minder komplex ist auch jene Raumfolge in der Taxisgalerie, die mit Licht und Farbe gestaltet ist und in der Nicolai die medientheoretische Annahme aufarbeitet, dass sich übermittelte Information immer erst dann räumlich verorten lässt, wenn sie angekommen ist. Ein spannendes Thema in unserer informationsüberfrachteten Zeit ist damit die Frage, was bis zum Ankommen passiert.

Die für die Ausstellung titelgebende Arbeit "7 Postkarten für Innsbruck" ist ebenfalls vielschichtig. Zum einen hat sie Gegenwartsbezug und zugleich verweist sie auf die Geschichte des barocken Palais, in dem sich bis ins frühe 20. Jahrhundert eine Poststation befand. Die Grafen Thurn und Taxis waren die Gründer des modernen Postwesens, zu einer Zeit, als für den Posttransport noch eine kaiserliche Genehmigung vonnöten war. Diesen Aspekt münzt Olaf Nicolai sofort auf die heutige "Kontrolle von Informationsflüssen" um und schon ist sein Thema wieder hochpolitisch und brandaktuell.

Anstoß ist für Nicolai eine Postkarte, die der griechisch-französische Architekt und Komponist Iannis Xenakis einem Freund schickte, der darum gebeten hatte, Xenakis möge ihm doch seine Musik zeichnen. Er bekam daraufhin eine kleine Zeichnung, die aussah wie die Luftaufnahme von Steinen in einer Landschaft - und dazu hatte Xenakis notiert: " Dear Balint, is this what you want? I try to turn out memories so, I think, I become virgin again!" Und im Postskriptum vermerkte er launig, als wäre es eine Karte von Nicolai: " I can try again if you don´t like it!" Aus dieser Zeichnung entwickelte Nicolai seine sieben Postkarten mit Steinschnitten, die er an die israelische Sängerin Noa Frenkel schickte, die diese dann in Gesang übersetzte. Das wiederum übertrug Nicolai in eine filmische Installation. Der Informationsfluss wird so zu einem komplexen Kunstwerk, das natürlich, wie alles bei Olaf Nicolai, einer intensiven Auseinandersetzung bedarf. Einfach in die Galerie gehen und durchwandern geht nicht! Diese Ausstellung braucht Zeit - ein Faktor, der ja schließlich den Basisthemen des Künstlers inhärent ist.

Olaf Nicolai - 7 Postkarten für Innsbruck

bis 29. Mai, Galerie im Taxipalais

Di - So 11- 18 Uhr, Do bis 20 Uhr

www.www.galerieimtaxispalais.at

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