"Wer alleine steht, steht im Brennpunkt"

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Carl Baudenbacher (63) leitet an der Uni St. Gallen das Institut für Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht. Er vertritt Liechtenstein im Efta-Gerichtshof, dessen Präsident er auch ist.

Die Furche: Laufen die künftigen Beziehungen Schweiz-EU auf einen EWR-ähnlichen Bilateralismus hinaus, also wieder nur ein halber Schritt Richtung Europa?

Carl Baudenbacher: Das kann man so sagen. Die Schweizer Gangart wird von anderen oft als Rosinenpicken empfunden. Aber jedes Land pickt Rosinen. Nur: Wenn man allein ist, steht man eher im Brennpunkt.

Die Furche: Stimmt der Eindruck, dass der Durchstich durch den Gotthard auch politischen Druck der EU nimmt?

Baudenbacher: Das kann man auf zwei Arten interpretieren. Entweder dass sich die Schweiz mit dem Bau des Gotthard-Tunnels an die EU annähert. Oder dass sie signalisiert: "Seht her, wir machen etwas für Europa, fordern dafür aber Verständnis für unseren Sonderweg."

Die Furche: Glauben Sie, dass eher Zweiteres zutrifft?

Baudenbacher: Das weiß ich nicht, aber es würde dem schweizerischen Denken entsprechen.

Die Furche: Bis Jahresende soll Klarheit herrschen über den Weg der Schweiz?

Baudenbacher: Ja, das hat Bundespräsidentin Leuthard mit EU-Präsident Van Rompuy vereinbart. Die Verhandlungen kommen ja nicht mehr voran. Das letzte bedeutende bilaterale Abkommen stammt von 2004.

Die Furche: Es hat Ihnen in der Schweiz auch Kritik eingebracht, dass Sie für einen Beitritt des Landes zum EWR eintreten.

Baudenbacher: Es wurde gesagt, ich wolle die Stellung meines Gerichtshofes stärken. Dazu kann ich nur sagen: Natürlich agiert keiner im luftleeren Raum. Trotzdem ist die Kritik ein unangemessener Versuch, ein objektiv bestehendes Problem zu personalisieren.

Die Furche: Warum tun sich die Schweizer so schwer mit der EU? Eine Mitgliedschaft scheint ja ausgeschlossen.

Baudenbacher: Vor allem wegen der direkten Demokratie und der Währungs- und Außenhandelsautonomie.

Die Furche: Der Beitritt zum EWR wurde 1992 abgelehnt. Täuscht der Eindruck, dass auch die Banken das nicht wollen?

Baudenbacher: Dazu will ich nichts sagen. Aber es wäre aufzuklären, ob die Realisierung der Dienstleistungsfreiheit durch Sonderinteressen verhindert wird.

* Das Gespräch führte Heike Hausensteiner

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