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Wie Karl Schwetz den Blick durch die Baumkulissen des Schwarzenberggartens darstellte, das hat schon eine unübersehbare Ähnlichkeit mit der Perspektive der berühmten Landschaften Klimts. Auch das Format ist quadratisch. Die Postkarten der Wiener Werkstätte sind keineswegs der einzige, aber ein besonders eindrucksvoller Beleg für die Breitenwirkung der Kunst-Innovationen der Zeit um 1900, wobei Breite freilich sehr relativ zu verstehen ist. Klimts neuer Blick auf die Landschaft war erst wenige Jahre alt, die Bilder waren erst zum Teil gemalt, als die Wiener Werkstätte anno 1907 mit der Produktion künstlerischer Postkarten begann. Schwetz war damals gerade 19 Jahre alt.

Die Postkarten der Wiener Werkstätte waren für jene kleine Schicht im Meer des konservativen Bürgertums bestimmt, die mit ihrem Geld und ihrer Modernität die Revolution in der Kunst überhaupt erst ermöglichte. Nun erschien, schön gedruckt und schön aufgemacht, eine neue Auswahl dieser Postkarten, die in Auflagen von nur 100 bis 1.000 Exemplaren erschienen. Innerhalb weniger Jahre entstanden über tausend Sujets, jede Karte ist heute eine kostbare Rarität. Unter ihren Schöpfern waren Nachwuchskünstler wie Schwetz, aber auch Schiele und Kokoschka waren sich für die Mitarbeit an diesem Projekt nicht zu gut.

Die Texte, die Ernst Trost zu den 48 ausgewählten Veduten schrieb, sind eine kleine kulturhistorische Fundgrube. Dabei kommt auch die Kehrseite der in diesen Karten so perfekt ästhetisierten Oberfläche zur Sprache. Nicht nur das dumpfe Beharren, nicht nur das Erz-Kakanische. Zum "nächtlichen Gespräch" einer Schönen der Nacht mit einem Herrn (von Moriz Jung) zitiert Trost den neben einer Prostituierten aufgewachten Grafen aus Schnitzlers "Reigen". Sie schläft. Er wird ihr das Geld aufs Nachtkastel legen und servus. Der Skandal war perfekt.

In der Wiener Moderne waren die Meister einer Ästhetik der Oberfläche mit den Erkundern der dunklen Tiefen und den Brechern der Tabus oft befreundet, oft verfeindet, oft aber auch ident. H. B.

Wiener Veduten Ansichtskarten der Wiener Werkstätte Texte Ernst Trost, Edition Brandstätter, Wien 2002, 104 Seiten, 48 Farbbilder, Klappenbroschur, e 21,50

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