Wo Bürger sich verschwören

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Am Anfang von Gemeinde stand die Revolution von unten - Urform der Bürgergesellschaft.

Eine Verschwörung, Kommune genannt, war der Ausgangspunkt für die Gemeinden, wie wir sie heute kennen: Vor fast tausend Jahren beschlossen die Bürger von Le Mans in Frankreich, ihrem Bischof den Eintritt in die Stadt zu verwehren, wenn er ihre neue Eidgenossenschaft nicht anerkenne. So wie später im deutschen Sprachraum, beginnend in Worms, in Köln usw., ging es diesen Bürgern um die Durchsetzung größerer Freiheiten von ihren feudalen Stadtherren. Damit war "die Idee der Revolution von unten geboren", sagt Robert Hink, Generalsekretär des Österreichischen Gemeindebundes, im Gespräch mit der Furche, "ein Grundstein für jene Organisationsform, die wir heute als Gemeinde bezeichnen."

Errungenschaft des Vormärz

In Österreich sind die Gemeinden aus der Revolution rund um den Vormärz 1848 hervorgegangen: Als Auflehnung der Bürger gegen "bürgerferne Verwaltung, Zentralismus und ein die Macht verwaltendes Beamtentum", wie Hink festhält. Die daraufhin eingeführte Dualität zwischen sich selbst verwaltenden Gemeinden und dem zentralen Staat, so der Gemeindebund-Generalsekretär weiter, vermochte auch "sehr viel an politischem Sprengstoff" wegzunehmen und hat letztlich alle bisherigen Regierungsformen in Österreich überlebt: Monarchie, Erste Republik, Ständestaat, Faschismus - und wie steht es heute in der Demokratie um die Gemeinden und ihre Bürger?

Hink ortet heute eine Entfremdung zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und der Politik - auch auf der Gemeindebene: Wenn Gemeinden zu anonymen Gebilden werden, beschreibt Hink die momentane Malaise, bekommen die politischen Institutionen immer mehr einen obrigkeitsstaatlichen Charakter und werden als weit abgehoben von den eigentlichen Anliegen empfunden. An dieser Entwicklung in die falsche Richtung sind jedoch nicht die Bürger schuld, ist Hink überzeugt, sondern die Politik, die für jedes Problem eine Lösung von oben herab verspricht, diese Versprechen aber dann allzu oft nicht einhalten kann.

Bürgerlisten - Warnzeichen?

Die zahlreichen Bürgerlisten oder Bürgerbeteiligungsverfahren sind für den Gemeindebund-General ein Warnzeichen (siehe auch Beitrag unten), da sich dabei ja letztlich "die Bürger gegen ihre Bürger-Institution stellen" - Hink: "Weckt uns das nicht auf?"

Das Absichern der vorhandenen Strukturen ist für Hink angesichts der neuen Herausforderungen zuwenig: "Wir müssen das Vorhandene mit neuem Leben erfüllen, nur dadurch werden wir die Bevölkerung an Bord behalten können" - und deswegen die Forderung des Generalsekretärs: "Die Gemeindeautonomie gehört weiterentwickelt! Wir brauchen mehr Chancen, uns selber zu organisieren - dann sind nicht nur die Bürgerinnen und Bürger zufriedener, letztlich kommen die in den kleinen Einheiten gefundenen Lösungen auch kostengünstiger."

Für Robert Hink ist die Durchsetzung von mehr Gemeindeautonomie mit den eingangs beschriebenen stillen Revolutionen vor tausend und 150 Jahren vergleichbar: "Denn was ist Gemeinde damals wie heute anderes, als die Bürgerinnen und Bürger, die ihre Probleme erkennen und sie selber lösen wollen."

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