Wo Dido immer noch zu Tränen rührt

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Der Papierform nach durfte man skeptisch sein: Die Grazer Oper wagte sich an ein Juwel der Barockzeit mit modernem Orchester und junger Besetzung, deklarierte das Himmelfahrtskommando wegen der eingebundenen Uraufführung "DnA - six images of love“ des deutschen Komponisten Christian Jost, Jahrgang 1963, als "Tanzabend“. Und hatte Erfolg.

Darrel Toulon, der Grazer Ballettdirektor, entfaltete Henry Purcells Oper als Konzentrat einer Liebestragödie zwischen Karthagos Königin Dido und dem Troja-Flüchtling Aeneas. Statt hilfreicher Götter ziehen keine Tiefenpsychologen die Fäden, sondern eine Zauberin, die mit Hexengefolge aus dem Dunkel der Palastwände kriecht. Wie Toulon und sein Bühnenbildner Alfred Peter das Werk zum nicht bloß optischen Theatercoup aufluden, war so sehenswert wie diskussionswürdig. Dass seine Tänzer den Protagonisten nicht die Show stahlen, ist ein weiterer Pluspunkt. Am überraschendsten freilich war, wie die anmutige Perserin Nazanin Ezazi, ein zarter Sopran, die Dido, der deutsche Mezzo Kristina Antonie Fehrs die Zauberin und der junge Bariton Ivan Oreˇsˇcanin den Aeneas bewältigten.

Von der Bitterkeit der Liebe

Alfred Peters Bühnenbild, drehbare schwarze und weiße Türme oder Wände, die eine ins Nichts führende Treppe rahmen, geriet ebenso schlüssig wie die edlen Kostüme mit Barock-Anflug, die Yumiko Takeshima ersann.

Von der Bitterkeit der Liebe künden auch die Texte des amerikanischen Avantgardisten E. E. Cummings (1894-1962). Der deutsche Komponist Christian Jost hat sie im Auftrag der Grazer Oper für die Anreicherung des "Dido“-Abends in leicht jazzig angehauchte, tonal gut verträgliche Klänge gesetzt und benötigt dabei nur fünf Holzbläser, ein Flügelhorn, einen E-Bass, ein Vibraphon zusätzlich zum barocken Purcell-Streichorchester. Damit malt er Einsamkeit und Gruppenzwang, Zärtlichkeit und Gewalt.

Die Sänger der Dido und des Aeneas treten für die Cummings-Lieder links und rechts ans Bühnenportal, der im Orchestergraben versteckte Opernchor aus "Dido und Aeneas“ wird von vier Frauenstimmen ersetzt. Als "Willkür“ des Dirigenten durfte man nur vermerken, dass Johannes Fritzsch schon im Purcell-Finale - dem zu Tränen rührenden Abgesang der Dido "Remember me“ - aus dem Jost-Orchester das Vibraphon für zusätzlichen Effekt ausborgte. Sein Dirigat: fein differenziert, voll Rücksichtnahme auf die Sänger, insgesamt sehr subtil.

Weitere Termine

2., 6., 8., 14., 15., 20., 30. Juni, 1. Juli

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