6638346-1957_29_02.jpg
Digital In Arbeit

DER MANN, DER SECHS SOLDATENEIDE SCHWOR

Werbung
Werbung
Werbung

Dies ist die Geschichte Eduard Bernauers, des Mannes, der sechs Soldateneide schwor. Es ist fe V egten Jahrhunderts, der ohne, jaoft gegen seinen Willen, die meiste Zeit seines Lebens eine Soldatenuniform tragen mußte und der dabei gezwungen war, nicht weniger als sechs Soldateneide zu leisten. Durch die Regelung einer Personalfrage kam das Schicksal unseres Mitbürgers an die Oeffentlichkeit.

Im Jahre 1916 mußte Bernauer aus dem Banat zum ersten Male.den Waffenrock anziehen. Es war des „Kaisers von Oesterreich und Königs von Ungarn Rock“. Rekrut Bernauer schwor seinen ersten Soldateneid. Als Artillerist kämpfte er an der russischen und an der italienischen Front. Er erlebte die Schlacht an der Piave und sah, wie man mit Kanonen in den Strom schoß, damit die darin schwimmenden Soldatenleichen weiterschwammen. Damals verwünschte Bernauer den Krieg und schwor sich, nie mehr eine Uniform anzuziehen.

Der erste Weltkrieg ging zu Ende und Bernauer kehrte in seine Banater Heimat zurück, um dort zu erfahren, daß das ehemals ungarische Gebiet inzwischen jugoslawisch geworden sei. Immerhin durfte Bernauer nun wieder einen Zivilanzug tragen, aber schon nach kurzer Zeit wurde er als jugoslawischer Staatsangehöriger zum jugoslawischen Militär eingezogen. In der kroatischen Hauptstadt Agram schwor Bernauer seinen zweiten Soldateneid, diesmal auf König Alexander, der 1936 in Marseille ermordet wurde. Während Bernauer gegen die aufständischen Mazedonier eingesetzt wurde und von seinen Zivilanzügen träumte, wurde sein Heimatort Hazfeld im Banat im Zuge einer Grenzbereinigung an Rumänien übergeben.

Bernauer hatte Angst, auch noch zur rumänischen Wehrmacht einrückpn zu müssen und wanderte nach Südamerika, nach Brasilien, aus. Kaum hatte er sich als Brauereiarbeiter seinen ersten Zivilanzug verdient, als es zu einer Militärrevolte kam. Die Hauptstadt wurde von Aufständischen besetzt und die Brauereiafbeiter mußten mitmachen, ob sie wollten oder, nicht. Man drückte Bernauer einen Schießprügel jn die Hand und ließ ihn den Eid auf den General der Aufständischen schwören. Die Revolte wurde niedergeschlagen und Bernauer über die Landesgrenze nach Uruguay abgeschoben. In Montevideo nahm er alle Entbehrungen auf sich, nur um endlich Zivilist sein zu können, aber alles schien sich gegen ihn verschworen zu haben. Zu jener Zeit war ein deutscher Einwanderer Staatspräsident von Uruguay, und gegen diesen brach eine sogenannte „Operettenrevolution“ aus. Diesmal wurden die Hafenarbeiter zwangsrekrutiert und mußten einen Militäreid auf den Staatsbtäsidenten schwören. Es kam zwar zu Jceinefi Kampfhandlungen, aber trotzdeth war Bernauer nun für viele Monate uruguayischer Soldat.

Nach dieser üblen Erfahrung, daß man auch in der Neuen Welt vor Soldateneiden und Uniformen nicht sicher sein konnte, kehrte er nach Europa in seine Banater Heimat auf dem Balkan zurück.

Da brach der zweite Weltkrieg aus. Bernauer mußte 1940 zum königlich-rumänischen Militär einrücken und seinen fünften Soldateneid ablegen. Drei Jahre diente er im rumänischen Waffenrock, dann versetzte man ihn, den Volksdeutschen, zur Deutschen Wehrmacht. Er schwor seinen sechsten Eid — diesmal auf Adolf Hitler. An mehreren Fronten stehend, überlebte Bernauer das „Tausendjährige Reich“. Nach dem Zusammenbruch kam er kurze Zeit in Kriegsgefangenschaft und anschließend behielten ihn die Engländer als Militärhundeführer. Uniform brauchte Bernauer jetzt zwar keine anziehen und sein siebenter Militäreid — auf die Queen — blieb ihm erspart.

Seitdem lebt er in Oesterreich. Sein inzwischen erreichtes Alter dürfte es verhindern, daß er eines Tages als Reservist des Bundesheeres doch noch zu seinem siebenten Soldateneid kommt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung