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Die Ruststotte geologischer Forschungen in osterreich

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Die Geologische Bundesanstalt, die frühere altbekannte Geologische Reichsanstalt, die in drei Jahren das 100jährige Bestandesjubiläum begehen kann, ist als ältestes Institut des europäischen Kontinents die zentrale Fachbehö*de des Staates Österreich, die mit der Erforschung der geologischen Verhältnisse des Landes und mit der Untersuchung aller nutzbaren Lagerstätten, Gesteine und Mineralien betraut ist. Außer den wissenschaftlichen Agenden kommt ihr in hohem Maße die beratende Funktion in allen Fragen der praktisch angewandten Geologie zu.

Dieses schon 1849 festgesetzte Statut ist bis heute unverändert geblieben, wenn auch infolge der regionalen Änderungen im Umriß des alten und neuen Österreichs manche Landgebiete weggefallen sind. So kartierten die Geologen der alten Geologischen Reichsanstalt im Raum der früheren österreichisch-ungarischen Monardiie, so auch in Galizien und im Gebiet der Balkanländer. Dafür hat seit 1918 im kleiner gewordenen Österreich, das den Ostalpenraum und den Südteil der kristallinen böhmischen Masse, also das Gebiet nördlich der Donau umfaßt, eine außerordentliche Vertiefung der Forschung eingesetzt.

Die vielseitigen Foschungsergebnisse sind in der berühmt gewordenen Publikationsreihe (Verhandlungen, Jahrbuch und Abhandlungen der Geologischen Reidis-, beziehungsweise Bundesanstalt) veröffentlicht. Diese Schriften sind eine Fundgrube namentlich für die gesamte geologische Stratigraphie, an deren europäisdiem Ausbau wesentlich gearbeitet zu haben ein unbestrittenes Verdienst der öster-reidihdien Geologischen Anstalt ist. Die Resultate der geologischen Kartierung sind in dem großen Kartenwerk 1 :75.000 enthalten, doch wurden in der neueren Zeit auch ausgezeichnete Karten 1 :25.000 des Alpenraumes veröffentlicht. Die Komplettierung des geologischen Kartenwerkes wurde in den letzten 50 Jahren wohl forciert, trotzdem aber entbehren heute noch mehrere Hoch-gebirgsblätter der Ostalpen einer modernen geologischen Bearbeitung. Dem ersten, seinerzeit viel gerühmten Entwurf einer geologischen Übersichtskarte der österreichisch-ungarischen Monarchie 1864 folgte erst Jahrzehnte später die von der Geologischen Bundesanstalt 1933 herausgegebene geologische Karte der Republik Österreich und der Nachhargebiete (Ostalpen, Ausläufer, Vorland, fränkisch-schwäbische Alb und Böhmisches Massiv in zwei Blättern 1 : 500.000), ein Monumentalwerk, das mit dem dazugehörigen Erläuterungsheft den allermodernsten Stand unserer Kenntnis der geologischen und strati-graphischen Verhältnisse darbietet. Die Karte ist trotz des kleinen Maßstabes so detailliert, daß sie audi als Reisekarte die besten Dienste ieistet.

In der gesamten Publizistik der Geologi-sdien Bundesanstalt der letzten Jahrzehnte läßt sich “ohl die ernste Tendenz einer gesteigerten Verfeinerung und Exaktheit nicht verkennen. Dabei ist freilich der allgemeinen Öffentlichkeit vielfadi unbekannt geblieben, daß die Geologische Bundesanstalt seit dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie in personeller und materieller Hinsicht recht schwierige Lagen durchschreiten mußte. Infolge Verarmung des Landes wurden die staatlichen Dotierungen verringert, und das wirkte sich wiederum darin aus, daß das laufende Arbeitsprogramm nur schwer bewältigt werden konnte.

Die Direktion der neuen österreichischen Geologischen Bundesanstalt hat ein vielseitiges Arbeitsprogramm aufgestellt. Nicht bloß das geologische Kartenwerk sollte rasdier vorwärtsgebracht werden, das ja die Grundlage aller Planungen für die Erschließung der Bodenschätze ist, es sollen namentlich die praktisch-geologischen Arbeiten stärker als bisher in das ständige Arbeitsprogramm der Anstalt aufgenommen werden, zumal die Industriekreise immer wieder die Geologische Bundesanstalt als beratendes Organ heranziehen. Die Kenntnis der nutzbaren Lagerstätten soll vertieft werden bei den Vorkommen, die Österreich einen Export gestatten, und bei solchen, welche eine eigene Rohstoffbasis für das Land bilden können. Die Erdölausbeutung österreidis, die erst 1934 mit einem großen wirtschaftlichen Erfolg begann, ist heute infolge systematischer ölgeologischer Forschung so weit gediehen, daß Österreich das drittgrößte Erdölland Europas, 1944 sogar mit einer Produktion von über 1,000.000 Tonnen, geworden ist. Die Produktionssteigerung ist der österreichischen Geologie zu danken und der Geologischen Bundesanstalt gebührt ein großer Anteil daran, da sie d.is Erdölinstitut als eigene Abteilung führt, das alle öllagerstätten geologisch bearbeitet, die Bohrproben mikro-paläontologisdi untersucht, so daß in der vergleichenden Forschung ein Gesamtüberblick über die erdölhöffigen Gebiete erzielt wird.

Auch der Wiederaufbau anderer Industriegebiete nach dem Kriege verlangt die intensive Mitwirkung der Geologischen Bundesanstalt, so in der Elektro-, chemischen und keramischen Industrie usw. Der fortgesetzte Bau der Wasserkräfte, namentlich in den Alpen, bedarf der Mitarbeit des technisch geschulten Geologen, die Agenden der Baugrundgeologie müssen gleichfalls von den Geologen der Anstalt fachliche Betreuung erfahren. Wasserfragen, Quellen, Grundwasser, Wasserversorgungen bilden ein wichtiges Arbeitsgebiet. Auch die bodenkundlichen Arbeiten müssen mehr in den Vordergrund gestellt werden im Interesse der Land- und Forstwirtschaft, Bodenvetbesserungen, kulturtechnische Probleme, Entwässerungen, Beschaffung von mineralisdien Düngestoffen sind gleichfalls in den Kreis der Erforschungen gezogen. Über die Baustoffe selbst hat die Geologische Bundesanstalt wichtiges Forschungsmaterial zustande gebracht.

Das durch Kartotheken übersichtlich gemachte Archivmaterial über Lagerstätten, nutzbare Mineralien, Erdöl, Steinbrüche, Steine, Sande, Tone usw. wird ständig erweitert und gibt wichtige Hinweise für die laufenden Untersuchungen und Bedürfnisse der Industrie. Die Bibliothek ist eine der größten Fachbibliotheken Europas, und das Museum hat durch die Aufsammlung ausgedehnter Suiten von Versteinerungen Berühmtheit erlangt. Das chemische Laboratorium, das dem Chemismus der Gesteine nachforscht, hat selbst wiederholt neue Methoden ausgearbeitet. Das Bohrarchiv bringt eine Zusammenstellung vieler Bohrungen, die im allgemeinen von der Geologischen Bundesanstalt überwadit werden sollen.

Die Geologische Bundesanstalt kann freilidi nur dann ihren Aufgaben im Interesse des wirtschaftlidien Interesses des Staates nachkommen, wenn sie weder personellen noch stark materiellen Einschränkungen unterworfen wird. Schärfere Ersr-arungsmaßnahmen wären im Interesse des Wiederaufbaues der Wirtschaft von Österreich nicht angebracht.

Durch den letzten Krieg hat die Geologische Bundesanstalt ab 1938 schwere Schäden erlitten. Zunächst hatte sie ihre Selbständigkeit verloren, indem sie der preußischen Geologischen Landesanstalt, Reichsamt für Bodenforschung, Berlin, eingegliedert wurde und einen landfremden Direktor erhielt. Die alte österreichische Tradition dieses Forschungsinstituts hätte ganz unterbunden werden sollen. Ersi die Bef'eiung Österreichs durch die Alliierten stellte die Selbständigkeit der Geologischen Bundesanstalt wieder her und führte die frühere österreichische Direktion wieder in das alte Arbeitsgebiet zurück, auch mehrere wertvolle Mitarbeiter sind verblieben. Freilich ist das Gebäude, der einstige Prunkbau (1812) des russischen Gesandten Fürst Rasumofsky und Schauplatz großer gesellschaftlicher und künstlerischer Veranstaltungen 1944/45 durch Bomben schwer beschädigt worden, zahlreiche Arbeits- und Musealräunae wurden vernichtet.

Es werden Jahre vergehen, bis der Aufbau durchgeführt und das Palais in seiner alten Schönheit wiedererstanden sein wird.

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