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HOFRAT DR. HEGER / MANN IM SCHEINWERFERLICHT

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„Wenn wir einen Mörder nicht binnen 48 Stunden gefaßt haben, heißt es bei Presse und Öffentlichkeit, der Polizeiapparat sei unfähig.“

Hofrat Dr. Franz Heger, der Vorstand des Wiener Sicherheitsbüros, kennt diesen, die Arbeit des Wiener Sicherheitswachekorps herabsetzenden Ruf genau. Die ungeklärten Blutverbrechen der letzten Wochen haben das Wiener Sicherheitsbüro und dessen Leiter, der sich entschlossen hat, die Erhebungen selbst durchzuführen, wieder in verstärktem Maß dem Scheinwerferlicht der öffentlichen Meinung ausgesetzt. „Wir sind auf die Mitarbeit der Öffentlichkeit angewiesen, uns interessiert jede Anzeige“, meint der Kriminalist.

Hofrat Heger selbst gleicht ein wenig dem Urbild des Detektivs aus einem britischen Kriminalroman: Mittelgroß, schlank, mit unauffälliger Eleganz gekleidet. Das Gesicht, in dem die buschigen Augenbrauen und der gepflegte Schnurrbart auffallen, verrät zielbewußte Energie.

Hofrat Heger trat nach seiner 1933 erfolgten Promotion zum Doctor iuris und nach zehn Monaten Gerichtspraxis 1934 in den Polizeidienst ein. Der junge Konzeptaspirant, dessen Monatsgehalt 50 Schilling betrug, wurde dem Polizeikommissariat Rudolfsheim zugeteilt, wo er nach drei Wochen Journaldienst das politische Referat übernahm und sich mit NS-Böllerwerfern, Flugzettelstreuern und oolitischen Wirrköpfen herumzuschlagen hatte. Nach dem deutschen Einmarsch galt Dr. Heger als „politisch unzuverlässig“, verblieb aber noch bis Oktober 1938 Im Polizeidienst. Dann wurde er eines Tages fristlos entlassen, da ihm für eine Pensionierung die notwendigen Dienstjahre fehlten. ..Ich ging damals stempeln“, nennt der heute Fünfundfünfzigjährizc sein vergebliches Bemühen, wieder Arbeit zu finden. Erst im Krieg, im März 1940, wird Dr. Heger neuerlich in die Schutzpolizei aufgenommen, sicherheitshalber jedoch nach Würzburg versetzt, wo er aber nur einen Monat Dienst versieht. Nach längerer, schwerer Krankheit, an deren Folgen er heute noch leidet,' wird Dr. Heger nach Wien zurückversetzt und hier der Preisüberwachungsstelle zugeteilt.

Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches galt es, das einst so berühmte österreichische Bun-dessicherheltswachekorps aus bescheidensten Anfängen und unter schwierigsten Verhältnissen neu aufzubauen. Dr. Heger ist einer der ersten Beamten, die sich zum Dienst für das neue Österreich melden. Am 13. Juni 1945 tritt er den Dienst Im Wiener Sicherheitsbüro an, das damals nur aus dessen Vorstand, dem bewährten Kriminalisten Dr. Klauser, aus Doktor Slancar und einer Handvoll Kriminalbeamter bestand. Der Mangel an geeigneten Beamten bringt es mit sich, daß Dr. Heger die ersten Nachkriegsjahre in allen Gebieten des Polizeiwesens arbeiten muß. um schließlich im Juni 1947 das Referat „Blutdelikte“, zunächst stellvertretend, zu übernehmen. Zwei Drittel der mehr als dreihundert Nachkriegsmorde konnten unter Dr. Hegers Leitung aufgeklärt werden. Besonders schwierig war die Verbindung zu den Bezirkspolizeileitern, die außer der eigenen höchstens die sowjetische Autorität anerkannten. Dr. Heger konnte sich hier mit Erfolg durchsetzen und galt bei den alliierten Polizeibefehlshabern bald als unpolitischer kriminalistischer Fachmann, in dessen Erhebungen sie sich nur selten einmengten.

Am 1. Jänner 1961 wurde Doktor Heger als Nachfolger Hofrat Dr. Slancars, der die Leitung der Abteilung II des Bundesministeriums für Inneres übernahm, zum Vorstand des Sicherheitsbüros bestellt und mit Wirkung vom 1. Juli 1961 vom Bundespräsidenten zum Wirklichen Hofrat ernannt.

Hofrat Dr. Heger hat seine Erfahrungen auch schriftlich einem größeren Kreit von polizeiliches Fachleuten zugänglich gemacht. Eine große Anzahl von Artikeln in den kriminologischen Fachzeitschriften, „Die öffentliche Sicherheit1' und „Kriminalistik“ sowie im „Jahrbuch der Bundessicherheitswache“, sind der Beweis, wie souverän der Leiter des Sicherheitsbüros nicht nur die Praxis, sondern auch die Theorie des polizeilichen Handwerks beherrscht.

In der knapp bemessenen Freizeit greift Hofrat Heger gern zu einem guten Kriminalroman, um zu sehen, wie der erfundene Kollege die heikelsten Fälle im Handumdrehen löst. Den Kriminalroman, den er vor drei Wochen zu lesen begann, hat Hofrat Heger allerdings bis heute noch nicht ausgelesen ...

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