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PIERRE SALIN GER / DER PRESSEMANN IN DER POLITIK

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Das unglückliche Gesicht des Pressesekretärs des ermordeten Präsidenten Kennedy, Pierre S a-linger, bot Photoreportern immer wieder ein dankbares Ziel: Damals etwa, als die Marschierwelle über die Vereinigten Staaten hereingebrochen war und Salinger mit gutem Beispiel voranzugehen veranlaßt wurde. Auch das Bild des recht klägliche Reiterfigur neben Präsident Johnson machenden Salinger rief Heiterkeit, aber auch eine große Flut von Leserbriefen empörter alter Kavalleristen, Tierschützer und Herrenreiter in den Briefspalten eines deutschen Nachrichtenmagazins hervor.

Sicherlich vermag der untersetzte, auf den ersten Blick sogar etwas schwerfällig wirkende Salinger beim Illustriertenleser den Anflug eines Lächelns hervorzurufen; sein melancholischer Blick unterstreicht die „Kümmererrolle“, in der sich der noch verhältnismäßig junge Journalist zu gefallen scheint. Leute „die es wissen müssen“ aber sprechen bewundernd von seiner unermüdlichen Energie, seinem scharfen Auffassungsvermögen und seinem scharfen Gedächtnis. Freilich, so versicherte man seinerzeit im Weißen Haus, war Salinger immer schon ein Wunderkind, spielte er doch schon mit sechs Jahren bereits virtuos Klavier und trat auch einmal im Rahmen der kanadischen Landesausstellung in Toronto auf, wo sein Vater als Bergwerksingenieur tätig war. Daß „Wunderkind“ Salinger bereits mit 35 Jahren Pressesekretär des Präsidenten Kennedy wurde, scheint also — mit amerikanischen Augen gesehen — eine durchaus folgerichtig vor sich gehende Entwicklung der Karriere zu sein.

Mit 16 Jahren wurde Salinger schon am San Francisco State College aufgenommen, zog es aber bald darauf vor, sich freiwillig zur Kriegsmarine zu melden. Im Pazifikkrieg wurde er übrigens mit derselben Medaille ausgezeichnet, die einem jungen Torpedoboötskommandanten namens John F. Kennedy verliehen wurde...

Nach dreijährigem Kriegsdienst kehrte Salinger auf die Universität zurück und arbeitete nachts als Redaktionsbote bei der „San Francisco Chronicle“. Nach Abschluß seiner Studien wurde er Reporter bei dieser Zeitung, und im Alter von 25 Jahren war er bereits Lokalchef im Nachtdienst, später Korrespondent von „Col-lier's“ für das Gebiet der Westküste.

In dieser Eigenschaft kam er erstmals mit den Kennedys in Berührung, denn im Verlauf einer Reportageserie über die Führer der Transportarbeitergewerkschaft traf er mit Robert Kennedy zusammen, der damals als oberster Rechtsberater des Senatsausschusses für Untersuchung von Mißständen in Gewerkschaften und Arbeiterorganisationen gleichfalls mit der Untersuchung der Transportarbeitergewerkschaft befaßt war.

Da „Collier's“ gerade zu dieser Zeit unvermittelt sein Erscheinen einstellte, engagierte Robert Kennedy den tüchtigen Reporter für den Untersuchungsstab des Senatskomitees. Da in diesem Senatsausschuß aber auch Senator John F. Kennedy in maßgebender Position mitwirkte, lernte ihn Salinger natürlich bald kennen. Der Senator war von seinen Leistungen so beeindruckt, daß er Salinger zu seinem Pressesekretär machte, sobald er sich entschlossen hatte, sich um die Präsidentschaft zu bewerben.

Dabei kam Salinger auch zustatten, daß er aus seiner Reporterzeit in Kalifornien bereits reiche Erfahrungen auf dem Gebiet politischer Wahlkampagnen gesammelt hatte, da er wiederholt als Pressereferent in Wahlfeldzügen in Kalifornien tätig gewesen war; einmal hatte er sogar ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, selbst für den kalifornischen Landtag zu kandidieren.

Die Gewehrschüsse von Dallas kosteten den Präsidenten das Leben. Salingers Sessel begann zu schwanken. Der neue Präsident hielt von den jungen „Eierköpfen“ seines Vorgängers nicht viel. Einer nach dem anderen wurde ausgewechselt, tauchte unter, kehrte in seinen früheren Beruf zurück.

Pierre Salinger zog die Konsequenzen. Er quittierte den Dienst im Weißen Haus. Dies bedeutete freilich nicht den Abschied von der Politik. Für viele kam der Entschluß des einstigen Wunderkindes, in die Politik zu gehen, nicht überraschend. Senator Salinger — wie das wohl klingt? Doch noch ist die Wahl nicht gewonnen. Mit einem Reklamefeldzug echt amerikanischen Stils — lärmende Blasmusik, Luftballons, Feuerwerk, hübsche Mädchen — geht Salinger auf Wählerfang aus. Ob er es schaffen wird? Die Aussichten scheinen nicht schlecht zu stehen. Doch wenn er es schaffen sollte, wird es seinem Ehrgeiz genügen?

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