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ROY WILKINS / DER MANN DER MÄSSIGUNG

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Den Radikalen in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung ist er viel zu gemäßigt; für die „weißen“ Extremisten hingegen ist er einer der bestgehaßten Männer, einer von denen, die jedes Philosophieren um die „gottgewollte weiße Vorherrschaft“ in den Bereich der Träume verwiesen haben: Roy W i l k i n s, leitender Sekretär der NAACP („National Association for the Advancement of Coloured People“), führt diese größte und traditionsreichste Bürgerrechtsorganisation nun schon seit zwölf Jahren mit der vielleicht wenig spektakulären, aber erfolgreichen „Politik der kleinen Schritte“ dem unveränderten Ziel entgegen: Gleichheit für alle Amerikaner.

Der große und entscheidende Erfolg der Bürgerrechtsbewegung ist, nach der Auffassung von Wil-kins, die von der NAACP erkämpfte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes aus dem Jahre 1954, die mit der Rassentrennung in den Schulen aufräumte. Dieses Urteil, meint Wil-kins, „stellte den verfassungsmäßigen Rang der Neger als gleichberechtigte Bürger wieder her und war das größte Dokument seit Abraham Lincolns Proklamation zur Befreiung der Sklaven“.

Der Schulfrage als einem Schlüsselproblem der Integration hat der 1901 in St. Louis geborene Wilkins immer eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Nach seinem Studium an der Universität von Minnesota wurde er 1923 Redakteur des „Kancäs City Call“, einer Wochenzeitung für Neger. „Damals gab zum Beispiel Kansas City für eine ,weiße' Schule 975.000 Dollar aus; für eine Negerschule waren aber nur 27.500 Dollar da — gerade genug, um eine alte Fabrik in eine Schule umzubauen.“ Wilkins trat bald in den Stab der NAACP ein und redigierte von 1934 bis 1944 das offizielle Organ der Vereinigung „Crisis“. Er rückte in der Hierarchie der NAACP immer höher — zu einer Zeit, als wichtige Erfolge zu verzeichnen waren: Die Integration der Armee unter Truman und die Entscheidung des Supreme Court gegen den südstaatlichen Grundsatz „gleich, aber getrennt“ in der Schulfrage. Als Nachfolger von Walter White trat er schließlich an die Spitze der NAACP.

Wilkins genießt bei allen, die ernsthaft an einer Beilegung der Rassengegensätze in den USA interessiert sind, hohes Ansehen. Der Einfluß, den er auf Kennedy ausgeübt hat, muß wohl sehr hoch veranschlagt werden. Aber auch Johnson versäumt es nie, in heiklen Bürgerrechtsfragen Wilkins um Rat zu bitten. Diese enge Zusammenarbeit mit „weißen“ Liberalen ist der Grund für die

Anfeindungen, denen Wilkins in letzter Zeit aus den eigenen Reihen ausgesetzt ist. Wilkins ist der festen Überzeugung, daß die Probleme nur durch die Kooperation aller Gutwilligen gelöst werden können und nicht im Alleingang. Deshalb befürwortet er auch grundsätzlich den Einsatz von Nationalgarden bei den schweren Rassenunruhen, die gegenwärtig die amerikanischen Großstädte erschüttern: Eine Haltung, die Wilkins in den Augen der Radikalen endgültig als „Onkel Tom“ abstempelt. Doch Wilkins hat erkannt, daß die Gewalttätigkeiten, die heuer bisher Boston, Cleveland, Buffalo, Newark und Detroit heimgesucht haben, das Gegenteil von dem bewirken, was sein Ziel und das Ziel der NAACP ist: Die Negermassen werden nicht in die amerikanische Gesellschaft integriert, sondern entfernen sich noch mehr von ihr.

Als vor wenigen Wochen Wilkins auf dem Kongreß der NAACP seine radikalen Gegner souverän ausspielte, faßte einer seiner Anhänger den Gegensatz zusammen: „Wilkins handelt, während seine Opponenten nur reden.“

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