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Spuren eines Märtyrers

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Dieser Karfreitag ist für mich ganz unter die Gestalt von Franz Jägerstätter geraten! Von dem ich bisher sträflich wenig wußte ... Der Jägerstätter ist ja viel wichtiger, als ich bisher ahnte." Mit diesen Worten äußerte sich letztes Jahr Eberhard Bethge, Freund, Schüler und Biograph Dietrich Bonhoeffers in einem Brief an den evangelischen Theologen Paul Gerhard Schoenborn. Bethge, selbst in den Achtzigern, äußerte sich damit zu einem Buch Schoenborns, in dem die Biographien von „Märtyrern des politischen Christus" dargestellt werden. Als ersten dieser Märtyrer nennt Schoenborn den Bauern aus St. Badegund in Oberösterreich: Franz Jägerstätter beginnt so auch in der historischen, politischen und theologischen Auseinandersetzung auf protestantischer Seite eine wichtige Bolle zu spielen.

54 Jahre danach

Schoenborns vor wenigen Monaten erschienenes Buch ist eine der Publikationen, die um den 90. Geburtstag Jägerstätters, der am 20. Mai begangen wird, herauskommen. In den letzten Jahren wurden neben theologischer Forschung auch historische Details rund um Jägerstätter publiziert. So weist Schoenborn darauf hin, daß Werner Lueben, der Gerichtsvorsitzende des Jägerstätter-Prozesses, 1944 Selbstmord beging; wahrscheinlich, weil er einem ähnlichen Verfahren . gegen katholische Priester nicht mehr gewachsen war. Tatsachen wie diese wurden nach Auffindung des Todesurteils in einem Prager Militärarchiv Anfang der neunziger Jahre bekannt. Erst seit damals, so Erna Putz, Autorin der soeben neu aufgelegten Jägerstätter-Biographie, kennt man die Namen der Bichter. Das Ende des Gerichtsvorsitzenden mag auch als Indiz dafür gelten, daß Einschätzungen zutreffen, nach denen Jägerstätters Bichter keine „verblendeten Hardliner" waren. Das Todesurteil wurde dennoch verhängt.

Die Genugtuung für Franziska Jä-gerstätter, die heute 84jährige Witwe, und die Töchter Jägerstätters ist zweifellos die Aufhebung dieses Todesurteils gegen den Gatten und Vater, die am 7. Mai 1997 vom Berliner Landgericht verkündet wurde: 54 Jahre nach der Vollstreckung der Todesstrafe in Brandenburg bei Berlin ist Jägerstatter nun rehabilitiert.

Daß Franz Jägerstatter aus Glaubensüberzeugung gehandelt hat, und daß dies nicht nur legitim, sondern eine Gewissenspflicht sein kann, wird in der heutigen theologischen Auseinandersetzung kaum bestritten. Als am 2. Vatikanischen Konzil der Altbischof von Bombay, Thomas D. Boberts SJ, während der Beratungen zur Pastoralkonstitution „Gaudium et Spes" Franz Jägerstatter als Beispiel für eine legitime Gewissensentscheidung nannte, war das noch ungewöhnlich. Heute gilt Jägerstätters Zeugnis quasi offiziell: Im 1996 erschienenen, fünften Band des neuen „Lexikons für Theologie und Kirche", dem theologischen Standardwerk, findet sich auch ein Artikel über Franz Jägerstatter.

Nicht einheitlich wurden bislang Bestrebungen beurteilt, Franz Jäger-stätter seligzusprechen. Schon seit der „Entdeckung" Jägerstätters durch den amerikanischen Soziologen und Pazifisten Gordon Zahn, ist diese Frage virulent. Zahn weist schon in seiner Jägerstätter-Biographie aus den sechziger Jahren darauf hin, daß manche den oberösterreichischen Bauern „als Heiliger}" verehren würden. Im amerikanischen Baum wird der Inspiration durch Jägerstätter erstaunliches Augenmerk geschenkt: Galionsfiguren der kirchlichen Friedensbewegung in den USA berufen sich auf Jägerstätter; so etwa der Jesuit Daniel Berrigan, der wegen seiner Aktivitäten gegen den Vietnamkrieg in den siebziger Jahren ins Gefängnis ging.

In der Diözese Linz, wo Jägerstätters Seligsprechung eingeleitet werden müßte, sind die Meinungen geteilt. Auf den Leserbrief seiten der lokalen Kirchenzeitung tobt mitunter Streit darüber. Neben zustimmenden Beaktionen wird dort auch die Drohung geäußert, bei einer Seligsprechung aus der Kirche auszutreten, weil „alle anderen Soldaten durch dieses Hochjubeln von Jägerstätter" schlecht gemacht würden. Der Linzer Bischof Maximilian Aichern hat daher eine historische und theologische Kommission für die Causa Jägerstätter eingesetzt. Diese hatte den Auftrag, Quellenlage, zeitgeschichtlichen Kontext und Spiritualität Jägerstätters zu beurteilen. Aichern erbat von der Kommission, die Signalwirkung einer Seligsprechung auf Kirche und Gesellschaft zu bewerten und ein Votum abzugeben.

Mittlerweile hat die Kommission ihre Arbeit abgeschlossen, am 10. März wurde dem Bischof das Votum übermittelt. Die inhaltliche Auseinandersetzung ist in einem dieser Tage erscheinenden Buch, das von den Linzer Moraltheologen Alfons Biedl und Martin Schwabeneder herausgegeben wird, zusammengefaßt. Sowohl historische Zugänge zu Jägerstätter und seinem Umfeld als auch theologische Deutung sind darin zu finden. Interessant auch die beiden Artikel über die Be-zeption Jägerstätters im allgemeinen und im US-amerikanischen Baum im besonderen: Das Buch „Franz

Jägerstätter - Christlicher Glaube und politisches Gewissen" stellt somit die bislang umfassendste theologische Wertung Jägerstätters dar. Obwohl das Votum der Kommission an Bischof Aichern offiziell noch nicht bekanntgegeben ist, scheint nach der Lektüre der schriftlichen Erörterungen im Buch eine Befürwortung des Seligsprechungsverfahrens klar zu sein. Ob Aichern sich der Empfehlung anschließt, bleibt abzuwarten.

St. Radegund - Berlin

Ein Lokalaugenschein in Jägerstätters Heimatgemeinde St. Badegund zeigt, daß der bekannte Sohn das Bild prägt. Wegweiser nach St. Badegund sind mit Jägerstätter-Hinweisen versehen, vor dem Gemeindeamt wird anläßlich des 90. Geburtstags ein Gedenkkreuz aufgestellt werden. Der ehemalige Hof des „Leherbauern", den Jägerstätter bewirtschaftete, wurde vor einigen Jahren unter tatkräftiger Mithilfe der Ortsbevölkerung renoviert und zu einer Gedenk- und Begegnungsstätte ausgebaut. Sogar auf dem Kriegerdenkmal findet sich der Name Jägerstätters eingemeißelt.

Anderswo geht die Diskussion weiter: Als 1995 einige Organisationen, unterstützt vom österreichischen Generalkonsul, am ehemaligen Reichs-kriegsgericht in Berlin eine Gedenktafel für Franz Jägerstätter anbringen lassen wollten, scheiterten sie am Widerstand der deutschen Stellen. Doch auch hier zeigt sich Bewegung: Es gibt nun positive Behördenbescheide, Anfang Mai wurde - so Generalkonsul Kubesch - der Guß der Bronzetafel in Auftrag gegeben, die an Jägerstätter und an alle, „die wegen einer Gewis-. sensentscheidung Opfer von Kriegsgerichten wurden", erinnert.

ALPHABETE DER NACHFOLGE

Märtyrer des politischen Christus. Von Paul Gerhard Schoenborn. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 1996. 216 Seiten, brosck, öS 169,-. FRANZ JÄGERSTÄTTER ...besser die Hände als der Wille gefesselt.. Von Erna Putz. ). akt Auflage. Edition Geschichte der Heimal, Grünbach 1997. m Seiten, geb., öS 298,-. FRANZ JÄGERSTÄTTER Christlicher Glaube und politisches Gewissen. Herausgegeben von Alfons Riedl und Josef Schwabeneder. Druck-und Verlagshaus Thaur, Thaur 1997, )SO Seiten, frz. brosch, öS 248,-.

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